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Überlebende und Politiker mahnen zu Lehren aus Auschwitz

Überlebende und Politiker mahnen zu Lehren aus Auschwitz
In der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau haben zahlreiche Politiker der Befreiung des deutschen Konzentrationslagers vor 80 Jahren gedacht. Im Mittelpunkt der Zeremonie standen die Überlebenden.

Stand: 27.01.2025 19:40 Uhr

In der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau haben zahlreiche Politiker der Befreiung des deutschen Konzentrationslagers vor 80 Jahren gedacht. Im Mittelpunkt der Zeremonie standen die Überlebenden.

Überlebende des NS-Konzentrationlagers Auschwitz und ranghohe Vertreter vieler Staaten haben an dem historischen Ort an die Befreiung der letzten Gefangenen vor 80 Jahren erinnert. Der Auschwitz-Überlebende und Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Marian Turski, warnte in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau vor Antisemitismus in der Gegenwart. Aktuell erlebe man einen "Tsunami von Antisemitismus" und Holocaust-Leugnung, prangerte Turski an. Er forderte die Gäste der Gedenkzeremonie auf: "Beenden Sie das!"

Auf die Bitte des 98-Jährigen hin erhob sich das Publikum zu einer Schweigeminute vor der Kulisse der früheren Ankunftsstation im Konzentrationslager Auschwitz.

Zahl der Zeitzeugen nimmt ab

Die Überlebenden von Auschwitz standen bei der Gedenkfeier im Mittelpunkt. Die Zahl der Überlebenden, die noch an der Gedenkveranstaltung teilnehmen können, nimmt aus Alters- und Gesundheitsgründen von Jahr zu Jahr weiter ab. Etwa 50 nahmen anlässlich des diesjährigen Gedenkens die Reise nach Auschwitz auf sich.

"Damals waren wir Opfer in einem moralischen Vakuum", sagte die in den USA als Therapeutin und Autorin lebende Tova Friedman, die als Kind in Auschwitz war. "Wir haben die Verpflichtung, zu warnen", so Friedman. Es gebe einen "grassierenden Antisemitismus", der sich unter den Nationen ausbreite.

Beunruhigung über Aufstieg rechter Kräfte

Auch der polnisch-jüdische Arzt Leon Weintraub warnte vor neuen Formen des Rassismus und appellierte an die jungen Menschen, tolerant und wachsam zu sein. Man dürfe die Fehler der 1930er-Jahre nicht wiederholen. Ähnlich äußerte sich Pavel Taussig, der von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinem Flugzeug mitgenommen worden war. Es erschrecke ihn und stimme ihn traurig, dass heute das Wissen über den Holocaust unter jungen Leuten abnehme.

Der Überlebende Christian Pfeil, der Steinmeier ebenfalls begleitete, forderte, dass für Schüler ein Besuch in einem früheren NS-Konzentrationslager verpflichtend sein sollte. Jugendliche sollten mit eigenen Augen sehen, "was Nazi-Deutschland damals den Menschen angetan hat". Er glaube nicht, dass Jugendliche sich sonst vorstellen könnten, was es bedeute, dass damals rund sechs Millionen Juden und rund 500.000 Sinti und Roma aus ganz Europa ermordet worden seien, so Pfeil.

Nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage der Jewish Claims Conference haben zwölf Prozent der 18- bis 29-Jährigen in Deutschland noch nie etwas von den Begriffen Holocaust oder Schoah gehört. Taussig zeigte sich auch beunruhigt über den Aufstieg rechter Kräfte wie der AfD in Deutschland: "Ich hatte lange nicht damit gerechnet, nochmal so etwas zu erleben."

Politiker aus aller Welt zu Gast

Neben den Überlebenden des Vernichtungslagers waren zu der Gedenkfeier Politiker aus aller Welt eingeladen. Unter anderem waren Polens Staatschef Andrzej Duda, der britische König Charles III., Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Kanadas Noch-Regierungschef Justin Trudeau und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj angereist. Nahezu alle europäischen Staaten schickten ihre höchsten Repräsentanten.

Russlands Präsident Wladimir Putin war nicht eingeladen. Seit der Invasion in die Ukraine im Februar 2022 war es das dritte Mal in Folge, dass die Gedenkfeier ohne einen Vertreter Russlands stattfand. Zum 60. Jahrestag der Befreiung 2005 war Putin noch ein viel beachteter Gast gewesen - auch mit Blick auf die Rolle der sowjetischen Armee, die 1945 die Gefangenen befreite.

Nicht besonders hochrangig waren die Regierungen der USA und Israels in Auschwitz vertreten. US-Vizepräsident J.D. Vance kam anders als ursprünglich erwartet nicht nach Polen. Die US-Delegation wurde vom Nahost-Beauftragten Steve Witkoff und dem designierten Handelsminister Howard Lutnick geleitet. Aus Israel kam nur Bildungsminister Joav Kisch.

Bundespräsident legt Kranz nieder

Aus Deutschland reisten neben Bundespräsident Steinmeier Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD), Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne), Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD), Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) zur Gedenkfeier in die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau.

So prominent war das Land der Täter noch nie bei einer solchen Gedenkfeier vertreten. Zusammen mit seiner Frau Elke Büdenbender legte Steinmeier einen Kranz an der "Todeswand" des Stammlagers I nieder. Von dort wurden die Häftlinge zur Hinrichtung geführt.

"Wir in Deutschland, wir vergessen nicht"

Steinmeier und die deutsche Delegation hatten vor der Gedenkfeier einen Gang durch das frühere Lager gemacht und sich mit Überlebenden zum Gespräch getroffen. Der Bundespräsident sagte im Anschluss an den Rundgang sichtlich berührt, die aus den NS-Verbrechen erwachsende Verantwortung Deutschlands höre nie auf. "Wir in Deutschland, wir vergessen nicht", so das deutsche Staatsoberhaupt.

Der Bundespräsident rief dazu auf, die Erinnerung an die Verbrechen und Opfer der Nationalsozialisten wachzuhalten. "Erinnerung kennt keinen Schlussstrich und Verantwortung deshalb auch nicht", sagte er. Auschwitz stehe "für die Monstrosität eines beispiellosen Menschheitsverbrechens", sagte Steinmeier.

Er würdigte auch die Überlebenden, die es in den vergangenen Jahrzehnten auf sich genommen hätten, ihre Erlebnisse und Geschichten an die nächste Generation weiterzugeben. Viele von ihnen lebten nicht mehr. "Es ist jetzt an uns, unseren Generationen, ihre Mahnung und ihre Erwartung an die nächste Generation weiterzureichen", sagte der Bundespräsident.

Holocaust-Gedenktag

Am 27. Januar wird weltweit der Opfer des Holocaust gedacht. Das Datum erinnert an die Befreiung der überlebenden Häftlinge des größten NS-Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 - vor 80 Jahren. Seit 1996 gedenken die Menschen in Deutschland an diesem Tag der Millionen Opfer des Völkermords. Im November 2005 verabschiedete auch die Vollversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, die den 27. Januar zum weltweiten Gedenktag machte.

Auschwitz ist zum Synonym für den Holocaust geworden. In das größte deutsche Konzentrationslager nahe der polnischen Kleinstadt Oswiecim in der Nähe von Krakau wurden zwischen 1940 und 1945 weit mehr als eine Million Menschen aus ganz Europa deportiert. Der überwiegende Teil waren Juden, dazu kamen etwa 140.000 Polen, Zehntausende Sinti und Roma sowie Tausende politische Häftlinge anderer Nationalität. Die Zahl der im KZ Auschwitz und vor allem im dazugehörigen Vernichtungslager Birkenau Ermordeten wird auf etwa 1,1 bis 1,5 Millionen Menschen geschätzt.

"Verantwortung kennt keinen Schlussstrich"

Steinmeier äußerte sich zudem im Zusammenhang mit einer Videobotschaft des US-Milliardärs Elon Musk auf einer AfD-Wahlkampfveranstaltung in Halle (Saale). Musk hatte bemängelt, dass Deutschland "zu viel Fokus auf vergangene Schuld" lege. Auf eine Nachfrage dazu sagte der Bundespräsident: "Ich glaube nicht, dass Herr Musk auf meine Ratschläge wartet. Aber meine Überzeugung bleibt: Verantwortung kennt keinen Schlussstrich." Wer immer glaube, man könne jetzt einen Strich darunter machen, dem empfehle er, "jetzt hierherzukommen und das Gespräch mit Überlebenden zu suchen".

Auf die Lehren aus Auschwitz für die aktuelle Asyldebatte in Deutschland angesprochen, verwies Steinmeier auf das Grundgesetz, das eine Antwort auf die Nazi-Herrschaft sei. "Und diese Antwort ist eine, die sich verkörpert in Artikel eins des Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist."

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