AKTIEN IM FOKUS: DeepSeek sorgt für KI-Gewitter Experten ...
• KI-Startup DeepSeek sorgt mit neuestem KI-Modell für Aufsehen• Steht Dominanz der US-Techfirmen bei KI infrage? • Aktien mit KI-Bezug mit deutlichen Ausschlägen
Das chinesische KI-Startup DeepSeek hat mit seinem neuen Modell DeepSeek-R1, das in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, die Tech-Welt in Aufruhr versetzt. Trotz eines Entwicklungsbudgets von lediglich 5,6 Millionen US-Dollar bietet das Modell laut "Handelsblatt" eine Leistung, die mit den Angeboten von OpenAI oder Meta vergleichbar ist, bei denen ähnliche Durchbrüche ungefähr das Zehnfache gekostet hätten. Im Gegensatz zu diesen Giganten soll DeepSeek-R1 jedoch nicht nur kosteneffizienter sein, sondern auch auf weniger leistungsstarken Chips laufen können. Handelsbeschränkungen der USA erschweren China seit einiger Zeit den Zugang zu modernsten Chips, das Modell von DeepSeek setzt allerdings laut "Bloomberg" vor allem auf leicht zugängliche Open-Source-Technologie - und das offenbar mit großem Erfolg. Nutzer lobten zudem laut dem Nachrichtenportal die Transparenz des KI-Modells, dass seinen "Denkprozess" während der Reaktion auf die Nutzeranfrage sichtbar mache.
DeepSeek als Weckruf für den KI-Markt
Investor Marc Andreesen lobte das chinesische KI-Modell via X als einen "der erstaunlichsten und beeindruckendsten Durchbrüche, die ich je gesehen habe".
Deepseek R1 is one of the most amazing and impressive breakthroughs I’ve ever seen - and as open source, a profound gift to the world. ????
- Marc Andreessen ???? (@pmarca) January 24, 2025
"DeepSeek zeigt, dass es möglich ist, leistungsstarke KI-Modelle zu entwickeln, die weniger kosten", kommentierte Vey-Sern Ling, Geschäftsführer bei Union Bancaire Privée, laut "Bloomberg". Dies könne "möglicherweise die Investitionsargumente für die gesamte KI-Lieferkette entgleisen lassen, die von den hohen Ausgaben einer kleinen Handvoll Hyperscaler getrieben werden", so der Experte weiter.
Das DeepSeek-Produkt sei "zutiefst problematisch für die These, dass die erheblichen Kapital- und Betriebsausgaben, die Silicon Valley getätigt hat, der beste Weg sind, um dem KI-Trend zu begegnen", sagte auch Nirgunan Tiruchelvam, Leiter für Verbraucher und Internet bei Aletheia Capital mit Sitz in Singapur, laut dem Nachrichtenportal. "Es stellt die enormen Ressourcen in Frage, die der KI gewidmet wurden".
DeepSeek setzt KI-Titel unter Druck
Die Debatte um das chinesische KI-Start-up DeepSeek sorgt am Montag für teils kräftige Kursbewegungen. Experten wollen die jüngsten Entwicklungen zwar nicht überbewerten. Gleichwohl könnte die Diskussion eine Konsolidierung der teils hohen Bewertungen im Tech-Bereich auslösen, so ein Börsianer.
So weckt die Debatte bei Investoren Sorgen mit Blick auf die Bewertungen von Tech-Werten wie den KI-Chipspezialisten NVIDIA, Broadcom und AMD oder des Software-Konzerns Microsoft. Die NVIDIA-Aktie knickt daraufhin im vorbörslichen Handel an der NASDAQ zweitweise um 7,17 Prozent auf 132,39 US-Dollar ein. Damit droht NVIDIA den Status als wertvollstes börsennotiertes Unternehmen wieder an den iPhone-Konzern Apple zu verlieren, dessen Aktien vorbörslich um etwas mehr als ein Prozent nachgaben. Der Softwareriese Microsoft, für dessen Papiere sich ein Minus von 3,5 Prozent abzeichnete, bliebe mit einer Marktkapitalisierung von dann noch knapp 3,2 Billionen Dollar auf Platz 3 knapp hinter NVIDIA (gut 3,2 Billionen Dollar) sowie Apple (knapp 3,3 Billionen Dollar). Bei den Anteilsscheinen von Broadcom zeichnen sich vorbörslich ebenfalls Verluste in Höhe von 7,24 Prozent auf 226,99 US-Dollar ab. AMD-Papiere stehen im vorbörslichen NASDAQ-Handel zeitweise 3,66 Prozent tiefer bei 118,35 US-Dollar.
Für den technologielastigen US-Index NASDAQ 100 zeichneten sich am Vormittag zeitweise Verluste von drei Prozent ab. Allerdings hatte der Index 2024 auch um rund 25 Prozent zugelegt, nach einem Anstieg um mehr als 50 Prozent im vorangegangenen Jahr 2023.
An der japanischen Börse gerieten die Halbleiterindustrie-Ausrüster Tokyo Electron und Advantest sowie der Tech-Investor SoftBank deutlich unter Druck. Tokyo Electron verloren letztlich 4,90 Prozent auf 25.805 JPY, während der NVIDIA-Zulieferer Advantest um 8,61 Prozent auf 9.185 JPY nach unten rauschte. Die SoftBank-Aktie schloss in Tokio 8,32 Prozent tiefer bei 9.681 JPY. Die Aktie von Merit Interactive kletterte in Shenzhen hingegen letztlich um 20,02 Prozent auf 24,10 CNY. Das Unternehmen hatte laut "Bloomberg" bereits vor Kurzem in einem offiziellen Dokument erklärt, dass man das KI-Modell von DeepSeek in das Marketing integriert habe.
Am deutschen Markt sollten Aktien wie AIXTRON, Siltronic, SUSS MicroTec, Kontron und Infineon im Auge behalten werden. Die AIXTRON-Aktie verliert im XETRA-Handel zeitweise 2,73 Prozent auf 13,53 Euro, SUSS MicroTec-Papiere sacken zeitweise um 8,73 Prozent auf 45,45 Euro ab, während Infineon-Aktien zeitweise 2,92 Prozent auf 33,03 Euro verlieren und es für Anteilsscheine von Siltronic um 3,86 Prozent auf 42,30 Euro abwärts geht.
KI-Gewitter belastet Siemens Energy besonders
Der Highflyer Siemens Energy gehört am Montagmorgen zu den größten Leidtragenden des KI-Gewitters aus China. Von ihrem Rekord am Freitag bei über 60 Euro stürzten die Papiere des Energiekonzerns via XETRA um bis zu 20 Prozent ab und drehten damit für das noch junge Jahr ins Minus. Später verlieren sie zeitweise noch 16,10 Prozent auf 50,64 Euro. Seit Ende 2023 hatten sie sich bis Freitag gut verfünffacht. Dabei trieb sie insbesondere KI-Fantasie, die nun durch die heiße Debatte um das chinesische Start-up DeepSeek einen kräftigen Dämpfer erhielt.
Da half es auch nicht, dass Alexander Virgo von der Bank of America angesichts des vom neuen US-Präsidenten ausgerufenen Energienotstands eine Kaufempfehlung mit einem Ziel von 80 Euro aussprach.
Experten warnen vor zu viel Sorgen
Der Erfolg von DeepSeek sei "eine Erinnerung daran, dass KI-Dominanz nicht als selbstverständlich angesehen werden kann", sagte Charu Chanana, Chef-Investmentstratege bei Saxo Markets, laut "Bloomberg". Der Wettbewerb nehme zu und "obwohl es derzeit möglicherweise keine große Bedrohung darstellt, werden sich zukünftige Wettbewerber schneller entwickeln und die etablierten Unternehmen schneller herausfordern", so Chanana weiter.
"Das Weltuntergangszenario, das gerade im Twitter-Universum verbreitet wird, scheint übertrieben", schreiben auch die Experten um Stacy Rasgon von Analysehaus Bernstein Research. Die KI-Modelle von DeepSeek seien gut und böten eine gute Leistung, allerdings sei OpenAI garantiert nicht für 5 Millionen US-Dollar nachgebaut worden. Zudem überrasche die Effizienz von DeepSeek-V3 nicht angesichts des verwendeten Modellaufbaus. Diese sogenannte Mixture-of-Expert (MoE)-Architektur sei darauf ausgelegt, die Kosten für Training und Betrieb von KI-Modellen zu reduzieren, da immer nur ein Teil der Modellparameter aktiv sei.
Dass die aktuellen Entwicklungen Investoren dennoch nervös machten, basiert laut Rasgon und Kollegen auf einem Missverständnis mit Blick auf die Kosten für das jüngste DeepSeek-Modell. Weitere Gründe seien, dass DeepSeek kleinere Modelle aus größeren extrahiere sowie die niedrigen Preise, die es für die Nutzung seiner Programme aufrufe.
Der erste Sorgenfaktor erscheine grundsätzlich falsch, da das Unternehmen keine revolutionären oder unbekannten Technologien verwendet habe, so die Experten. Der zweite Punkt sei schon interessanter, aber auch nichts Neues, wenngleich die Berechtigung des Ansatzes untermauert worden sei.
Die Investorensorgen angesichts der Preise, die DeepSeek verlangt, seien allerdings nicht von der Hand zu weisen. Zwar sei die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens unklar, aber die Sache werfe Fragen über die Rolle und Lebensfähigkeit von proprietären KI-Modellen im Vergleich zu Open-Source-Ansätzen auf.
Grund zur Panik sei all das aber dennoch nicht, denn angesichts der rasant steigenden Kosten für den weltweiten KI-Ausbau seien Innovationen wie die von DeepSeek notwendig. Diese Innovationen gingen zudem wohl kaum über das hinaus, was Top-KI-Entwickler nicht auch wüssten. Und: Im Techsektor sorgten Effizienzzuwächse normalerweise für ein Nachfragewachstum.
Redaktion finanzen.at / dpa-AFX