Exklusiv: Vermutlich Überreste von Andrew „Sandy“ Irvine auf dem ...
Irvine stammte aus einer Familie der oberen Mittelschicht in Cheshire, England. Er war gutaussehend und sportlich, ein Ruder-Star in Oxford. Doch nicht alles war perfekt: Er wurde für seinen Mangel an technischem Bergsteigerwissen kritisiert, bevor er 1924 auf den Mount Everest stieg. Berichten zufolge litt er wahrscheinlich an einer Lernschwäche wie Legasthenie, die ihn beim Lesen behinderte. In Mathematik, Technik und Mechanik war er jedoch äußerst begabt. Als er sich der Expedition anschloss, wurde er zum Sauerstoffoffizier berufen und half dabei, die Konstruktion der Sauerstoffflaschen zu verbessern. Seinen Platz im Gipfelteam verdiente er sich mit seinem eisernen Willen und seinen sportlichen Fähigkeiten. „Irvine“, schrieb der Expeditionsleiter E.F. Norton in The Fight For Everest, „war groß und kräftig mit feinen Schultern und vergleichsweise leichten Beinen“. Summers sagt, dass Mallory wahrscheinlich vor allem Irvines Respekt ihm gegenüber zu schätzen wusste. Ihr zufolge war Irvine Mallory gegenüber zu hundert Prozent loyal.
Am frühen Morgen des 8. Juni 1924 machten sich die beiden Männer auf den Weg zum Gipfel. Das Wetter war, wie Mallory es beschrieben haben soll, „perfekt für die Aufgabe“, die vor ihnen lag. Am Nachmittag dieses Tages wurden sie das letzte Mal von ihrem Teammitglied Noel Odell gesehen: Er berichtete, dass er zwei winzige Gestalten während eines kurzen Wolkenbruchs nahe des Second Step gesichtet hätte. Dann waren sie verschwunden.
Im Laufe der Jahre haben sich verschiedene Theorien dazu entwickelt, warum Irvine nie gefunden wurde. Eine von ihnen stammt von Mark Synnott, einem Autor, Bergsteiger und Mitarbeiter von National Geographic: In seinem Buch The Third Pole: Mystery, Obsession, and Death stellt er die Theorie auf, dass chinesische Bergsteiger die Leiche und die Kamera schon vor langer Zeit gefunden haben könnten – und es verschwiegen haben. Summers ist der Meinung, dass die Entdeckung des Stiefels diese Vermutung widerlegt.
Eine noch ältere Theorie besagt, dass ein chinesischer Bergsteiger im Jahr 1975 direkt unterhalb des Nordostgrats auf einen Leichnam in alter Kleidung gestoßen sei. Die Sichtung wurde zur Grundlage für die Zielzone der Suchexpedition nach Mallory und Irvine im Jahr 1999. Wenn sie in diesem Bereich einen Leichnam finden würden, so dachten die Teammitglieder der damaligen Expedition, dann wäre es Irvines. Dieser könnte sie dann womöglich zu Mallorys Überresten führen. Dann entdeckte Anker jedoch Mallorys Überreste, woraufhin das Team eine Beerdigung auf dem Berg durchführte. „Conrad Anker sagte zu mir, er habe nach der Schatzkarte gesucht und schließlich den Schatz gefunden“, erinnert sich Summers.
Einige Tage, nachdem Chin und sein Team den Stiefel entdeckt hatten, bemerkten sie, dass sich Raben an ihm zu schaffen machten. Daraufhin habe er bei der China-Tibet Mountaineering Association (CTMA) angefragt, ob das Team die Überreste vom Berg bringen könne. Chin trug den Stiefel und den Fuß in einer Kühlbox vom Everest und übergab sie der CTMA. Sein Team entnahm auch eine DNA-Probe, die in Zusammenarbeit mit dem britischen Konsulat zur weiteren Identifizierung verwendet wird. Doch Chin ist sicher, dass die Analyse nichts anderes ergeben wird: Das Etikett spreche für sich.
Der Fotograf und Filmemacher will nicht genauer darauf eingehen, wo die Überreste gefunden wurden, denn er will Trophäenjäger abschrecken. Aber er ist zuversichtlich, dass sich weitere Artefakte – und vielleicht sogar die Kamera – in der Nähe befinden.