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Immer mehr EU-Länder setzen Impfungen mit Astra Zeneca aus

Immer mehr EULänder setzen Impfungen mit Astra Zeneca aus
Am Abend tagt in Wien das Impfgremium und berät, ob Österreich ähnlich auf Zwischenfälle mit dem Vakzin reagiert wie Deutschland. Impfstoff-Expertin Nicolodi hält einen Impfstopp für wahrscheinlich

Deutschland schloss sich am Montag mehreren anderen europäischen Ländern an, die den Impfstoff von Astra Zeneca vorerst nicht mehr einsetzen.

Foto: Reuters Herman

Wien/Berlin – Nachdem Deutschland, Frankreich, Slowenien und Italien am Montag verkündet hatten, die Impfung mit Astra Zeneca vorerst auszusetzen, ist in Wien am Montagabend das Impfgremium zusammengetreten. Wie es aus dem Büro von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hieß, sollte noch im Laufe des Abends eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Vakzin in Österreich weiter verimpft wird.

Von der EU forderte Anschober am Abend eine "raschestmögliche, klare Stellungnahme von den europäischen Behörden für ein gemeinsames gesamteuropäisches Vorgehen". Es brauche jetzt eine klare Entscheidung und Empfehlung der EMA für die Mitgliedsstaaten.

Derzeit gebe es laut Anschober keinen Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff von Astra Zeneca und den aktuell diskutierten gesundheitlichen Ereignissen, "die auch bei ungeimpften Personen auftreten können". Die Impfstoff-Expertin Christina Nicolodi hält es im Gespräch mit dem STANDARD trotzdem für wahrscheinlich, dass Österreich ähnlich reagieren werde wie die deutsche Regierung.

Berlin preschte vor

Deutschland hatte zuvor gemeldet, die Impfung gegen Covid-19 mit dem Impfstoff von Astra Zeneca vorerst auszusetzen. Die Bundesregierung folge damit einer aktuellen Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), teilte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums mit.

Die Entscheidung, die Impfung vorsorglich fürs Erste auszusetzen, betreffe sowohl Erst- als auch Folgeimpfungen, erklärte der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn. Folgeimpfungen könnten nachgeholt werden, wenn eine Prüfung der Europäischen Arzneimittelagentur positiv ausfalle. Spahn erhofft sich eine solche Entscheidung bereits diese Woche, sagte er in einem Pressestatement.

Die Entscheidung heute sei "eine reine Vorsichtsmaßnahme", stellte der Minister klar. Doch für ihn sei immer klar gewesen, dass das eine fachliche und keine politische Entscheidung sei, so Jens Spahn. "Daher folge ich der Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts."

Thrombosen der Hirnvenen

Laut PEI seien sieben Fälle von Sinusvenenthrombosen aufgetreten, also Blutgerinnseln in Venen, die Blut aus dem Gehirn abführen. Bei 1,6 Millionen Geimpften in Deutschland entsprächen sieben Fälle insgesamt rund vier Fällen pro einer Million Geimpfter seit Start der Impfungen Anfang Februar. Diese Art der Thrombose tritt in der allgemeinen Bevölkerung rund zwei bis fünf Mal pro einer Millionen Personen pro Jahr auf.

In Großbritannien sind bisher dagegen nur drei Fälle einer Sinusvenenthrombose registriert worden bei insgesamt über elf Millionen verimpften Dosen. Die Blutgerinnsel in den Hirnvenen seien laut PEI-Mitteilung zusammen mit einer Thrombozytopenie aufgetreten, also einem Mangel an Blutplättchen, die zur Verklumpung des Blutes beitragen. In der Fachliteratur sind bisher Einzelfälle von Sinusvenenthrombosen auch bei Covid-19 beschrieben worden.

Nach neuen Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung in Deutschland und Europa halte das Institut weitere Untersuchungen für notwendig. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA werde entscheiden, "ob und wie sich die neuen Erkenntnisse auf die Zulassung des Impfstoffs auswirken".

Personen, die sich mehr als vier Tage nach der Impfung mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff zunehmend unwohl fühlen, starke und anhaltende Kopfschmerzen oder punktförmige Hautblutungen bekommen, sollten sich umgehend in ärztliche Behandlung begeben, zitierte Spahn das Paul-Ehrlich-Institut.

Auch Italien und Frankreich setzen aus

Unmittelbar nach Spahns Tritt vor die Presse gab auch Italien bekannt, die Impfungen mit Astra Zeneca auszusetzen. Der Beschluss wurde am Montag von der italienischen Arzneibehörde AIFA in Rom getroffen, die am Donnerstag bereits eine Charge vom Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns eingezogen hatte. Auch die AIFA will die Entscheidung der EMA abwarten.

Frankreich gab unmittelbar darauf ebenfalls bekannt, die Verabreichung des Impfstoffs zu stoppen. Am Dienstagmittag erwarte man Informationen der EMA, so Frankreichs Premier Macron, bis dahin würde der Stoff nicht verabreicht. Die Niederlande, Irland, Dänemark, Norwegen, Bulgarien und Island hatten bereits zuvor den Einsatz des Impfstoffs vorübergehend ausgesetzt. Österreich stoppte die Verwendung von bestimmten Chargen. Am Abend stoppte schließlich auch Slowenien vorerst die Verwendung des Impfstoffs.

Impf-Expertin Nicolodi: Österreich dürfte folgen

Österreich werde Impfungen mit dem Astra-Zeneca-Vakzin nach dem Entscheid Deutschlands höchstwahrscheinlich ebenfalls aussetzen, sagte Montagabend die Impfstoff-Expertin Christina Nicolodi. Die Schritte der heimischen Gesundheitsbehörden würden sich oft an jenen des Nachbarstaats orientieren.

Bei den thrombotischen Ereignissen nach der Impfung handle es sich um sogenannte "Signale". Von diesen spreche man, wenn mathematisch festgestellt werde, dass bei der Häufigkeit einer bestimmten Nebenwirkung – eines Medikaments oder eines Vakzins – "ein Ausschlag nach oben" bestehe.

"Sehr seltene Nebenwirkung"

Möglich sei, dass es sich dabei um eine "sehr seltene" Nebenwirkung handle, der man bei den Studien, die zur Bewilligung des Astra-Zeneca-Vakzins geführt hatten, wegen der dafür zu kleinen Zahl von Probanden – mehrere 10.000 Personen – nicht auf die Spur gekommen sei. Derartiges könne bei Neubewilligungen durchaus geschehen. Konkret gebe es in Europa nach rund fünf Millionen Impfungen ihres Wissens bisher 30 Verdachtsfälle, davon elf in Deutschland nach rund 1,3 Millionen Impfungen.

Die Überprüfung des Astra-Zeneca-Vakzins kann laut Nicolodi in neue Kontraindikationen münden: Menschen mit bestimmten Anfälligkeiten seien dann von der Impfung mit dem Stoff ausgeschlossen. Es könnten aber auch tiefgreifendere Beschlüsse fallen.

EMA sieht keinen Zusammenhang

Die EMA sah vergangene Woche keine Hinweise darauf, dass die Fälle von Blutgerinnseln durch die Impfung mit Astra Zeneca verursacht wurden – eine Einschätzung, der sich auch die Weltgesundheitsorganisation WHO anschloss. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schrieb auf Twitter, das Thrombose-Risiko sei "verschwindend gering und dazu nicht höher als ohne Impfung".

Im Großbritannien wurden vom Astra-Zeneca- und Biontech/Pfizer-Impfstoff jeweils gut zehn Millionen Dosen verimpft. Nach den vorliegenden Nebenwirkungsmeldungen gibt es im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung beim Astra-Zeneca-Vakzin im Vergleich zum Impfstoff von Biotech/Pfizer keine auffällige Häufung von Lungenembolien (meist ausgelöst durch Blutgerinnsel, also einen Thrombus) oder anderen Gerinnungserkrankungen.

So wurden beim Astra-Zeneca-Vakzin 13 Fälle gemeldet, bei Biontech/Pfizer 15. Ähnlich ist es bei Durchblutungsstörungen im Gehirn: Beim Astra-Zeneca-Vakzin wurden 41 berichtet, davon sechs tödlich, bei Biontech/Pfizer 55 schwere Vorfälle, davon drei tödlich. Bei Gehirnblutungen gab es bei Astra Zeneca laut den britischen Meldungen sieben Vorfälle, davon einer tödlich, bei Biontech/Pfizer zehn, davon drei tödlich.

Auch das Unternehmen selbst verteidigte seinen Impfstoff. Der Pharmakonzern sehe kein erhöhtes Risiko von Blutgerinnseln in Zusammenhang mit dem Vakzin. Eine sorgfältige Analyse aller verfügbaren Sicherheitsdaten von mehr als 17 Millionen Menschen, die in der Europäischen Union und in Großbritannien mit dem Mittel geimpft wurden, habe keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko einer Lungenembolie, einer tiefen Venenthrombose oder auf einen Rückgang der Blutplättchen ergeben. (red, APA, 15.3.2021)

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