Todesstrafe für Deutschen: Belarus und Berlin in „Konsultationen“
Es würden „konkrete Lösungen“ gesucht, teilte am Samstag das belarussische Außenministerium mit. „Die belarussische Seite hat konkrete Lösungen vorgeschlagen, die auf den gegenwärtigen Möglichkeiten zur Änderung der Situation basieren“, erklärte der belarussische Außenamtssprecher Anatoli Glas auf der Onlineplattform X. „Die Außenministerien beider Länder führen Konsultationen zu diesem Thema.“
„Es gab natürlich Kontakte mit der deutschen Seite zu diesem Thema“, hielt Glas fest. „Dieser Straftäter ist deutscher Staatsbürger, und wir verstehen die Sorge der deutschen Seite um ihn.“ Belarus habe im Einklang mit dem internationalen Recht und zwischenstaatlichen Vereinbarungen der deutschen Seite konsularischen Zugang zu dem „Verbrecher“ gewährt. Glas sprach lediglich von einer Verurteilung, nannte aber die Todesstrafe nicht.
Die Organisation Wjasna hatte am Freitag bekanntgegeben, dass der 30-jährige Deutsche bereits am 24. Juni von einem belarussischen Gericht wegen mehrerer Straftaten schuldig gesprochen worden sei. Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es daraufhin, der Fall sei bekannt, und die deutschen Behörden setzten sich „intensiv“ für den Mann ein. Die Todesstrafe sei „eine grausame und unmenschliche Form der Bestrafung, die Deutschland unter allen Umständen ablehnt“, hieß es weiter.
Schuldspruch in sechs Punkten
Der Mann sitze seit November 2023 in Haft, berichtete Wjasna. Der Prozess gegen ihn fand zum Teil hinter verschlossenen Türen statt. Seine Verurteilung hänge mit dem Kastus-Kalinouski-Regiment zusammen, einem militärischen Verband aus belarussischen Freiwilligen, die an der Seite der Ukraine gegen Russland kämpfen. In Belarus ist das Regiment als „extremistische Gruppe“ eingestuft.
Als angeblicher Kämpfer der Kalinouski-Brigade soll sich der Deutsche in insgesamt sechs Straftatbeständen schuldig gemacht haben. Das geht aus einer Kopie des Urteils hervor, die der deutschen „Zeit“ (Onlineausgabe) vorliegt. Dem Deutschen werde illegaler Waffenbesitz, Agententätigkeit, Mitgliedschaft in einer extremistischen Vereinigung, Söldnertum und eben Terrorismus vorgeworfen. In dem Urteil ist von „Explosionen“ die Rede, die K. „durchgeführt“ haben soll.
Laut einem Profil im Onlinenetzwerk LinkedIn, das Wjasna dem 30-Jährigen zuordnete, arbeitete der Deutsche als Rettungshelfer für das Deutsche Rote Kreuz und als Sicherheitsmann für die US-Botschaft in Berlin. Nach Angaben der NGO war sein Fall das erste Gerichtsverfahren in Belarus wegen Söldnertums. Wjasna ist international sehr angesehen, ihr Gründer Ales Bjaljazki wurde 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Einziges europäisches Land mit Todesstrafe
Seit dem Beginn des vom belarussischen Machthaber Lukaschenko unterstützten russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wurden in Belarus mehrere Menschen wegen des Vorwurfs festgenommen, Sabotageakte zugunsten Kiews begangen zu haben.
Belarus ist das einzige europäische Land, in dem die Todesstrafe noch verhängt und vollstreckt wird – ausschließlich gegen Männer. Die Verurteilten werden mit Schusswaffen hingerichtet. Die Daten der Hinrichtungen werden nicht veröffentlicht, die Leichname der Hingerichteten werden ihren Familien nicht übergeben. Diese werden auch nicht über den Begräbnisort informiert. Seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1991 wurden in Belarus nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International bis zu 400 Menschen hingerichtet. Hinrichtungen von ausländischen Staatsbürgern waren bisher jedoch nicht darunter.
Die Kalinouski-Brigade dementierte auf Anfrage der „Zeit“ die Mitgliedschaft des Deutschen in der Truppe. In der belarussischen Exilregierung sind die meisten davon überzeugt, dass die konkreten Vorwürfe an den Deutschen ohnehin nebensächlich seien. „Das ist ein weiterer Akt des staatlichen Terrorismus von Alexander Lukaschenko“, sagt Pawel Latuschko, Vizevorsitzender der belarussischen Exilregierung, im Gespräch mit der „Zeit“.
Exilregierung: Austausch gegen Auftragsmörder geplant
Der 30-Jährige sei für das Regime des belarussischen Diktators nur eine Geisel, die er womöglich auch im Auftrag des russischen Präsidenten Wladimir Putin gefangen genommen habe. „Über unsere Quellen aus Minsk bekommen wir Informationen, dass der deutsche Staatsbürger gegen den russischen Auftragsmörder Wadim Krassikow ausgetauscht werden könnte“, sagte Latuschko.
Das Berliner Kammergericht hatte Krassikow im Dezember 2021 wegen Mordes und illegalen Waffenbesitzes zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er zwei Jahre zuvor im Kleinen Tiergarten in Berlin den Georgier Selimchan Changoschwili erschossen hat. Den Auftrag dazu erteilten russische Geheimdienste. Putin hatte mehrfach klargemacht, dass er Krassikow, der in einem Berliner Gefängnis einsitzt, freitauschen will, schrieb die „Zeit“.