Die Filmstarts-Kritik zu Bridget Jones 4 Verrückt nach ihm

Ein interessanter Gedanke: Möglicherweise wird Bridget Jones (Renée Zellweger) eines Tages als die Scarlett O’Hara des 21. Jahrhunderts in die Film- und Literaturgeschichte eingehen. So wie sich im Bürgerkriegs-Epos „Vom Winde verweht“ die kapriziöse Südstaatenschönheit von der oberflächlichen Partypuppe zur kämpferischen Powerfrau mit feministischem Touch entwickelt, bis ihr schließlich sogar auffällt, dass sie ein halbes Leben lang in den falschen Mann verliebt war – Ashley, der größte Langweiler, den die Leinwand jemals gesehen hat –, so wurde auch Bridget Jones zum Vorbild für Frauen, die es eigentlich besser wissen müssten, allerdings und selbstverständlich in einer moderneren Version: eine echte Identifikationsfigur mit vielen Fehlern, Mängeln und Problemen. Und dabei bleibt Bridget genauso liebenswert wie Scarlett, vielleicht sogar noch ein bisschen nahbarer – Bridget ist eine von hier, eine von uns.
Die Bridget Jones aus „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ hatte Probleme mit der Figur und war nicht besonders hübsch, dafür ziemlich schusselig und chaotisch, was auch für ihren Umgang mit Männern galt. Und prinzipiell blieb sie so. Im zweiten Teil „Am Rande des Wahnsinns“ landete sie im thailändischen Frauenknast, und im dritten Teil „Bridget Jones‘ Baby“ wurde sie Mutter. Die gute Nachricht für den vierten Teil „Bridget Jones – Verrückt nach ihm“ lautet: Bridget Jones ist älter geworden, mittlerweile um die 50, aber sie ist doch zumindest auf den ersten Blick irgendwie dieselbe geblieben. Die Röcke ein bisschen zu kurz, die Oberteile ein bisschen zu eng, und ihre Haare scheinen mangels Aufmerksamkeit mittlerweile ein sinistres Eigenleben zu führen. Bridgets Frisur erinnert an einen wildgewordenen Handfeger, wobei gelegentlich ein unmotiviert schiefes Rattenschwänzchen irgendwo im Nacken herumhängt.
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Obwohl sie zurzeit nicht berufstätig ist, kommt Bridget kaum mit dem Alltag zurecht. Notfalls bringt sie die Kinder im Pyjama zur Schule. Ein Grund für ihre Probleme ist, dass sie vor einigen Jahren Witwe wurde und noch immer um ihren Mann trauert: Der liebenswürdige, seriöse Mark Darcy (Colin Firth) kam bei einem humanitären Einsatz in Afrika ums Leben. Als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern – die kleine Mabel hat ihren Vater niemals kennengelernt – muss Bridget viele neue Herausforderungen bewältigen und sich nicht zuletzt gegen perfekt gestylte Super-Mamis behaupten.
Doch Bridget ist ein Stehauf-Frauchen: Sie rappelt sich langsam, aber sicher auf, geht wieder arbeiten, es wird auch mal getindert, und siehe da, sogar in der Liebe gibt es wieder Entwicklungen. Bridget legt sich einen 20 Jahre jüngeren Lover zu, den hübschen Roxster (Leo Woodall aus „The White Lotus“), und dann ist da auch noch der staubtrockene Physik- und Mathelehrer Mr. Wallaker (Chiwetel Ejiofor), mit dem sie im Dauerclinch um die besten Erziehungs- und Lehrmethoden liegt…
Schon ein ganzes Stück erwachsener
Schon der kurze Überblick zeigt: So eine richtig knallige Komödie ist das nicht. Helen Fielding, die Autorin der mittlerweile vier Romanvorlagen, hat diesmal federführend das Drehbuch geschrieben und offenbar entschieden, dass jetzt Schluss mit lustig ist. Damit trifft sie nicht nur den Zeitgeist, das ist auch sehr geschickt, denn sie lässt Bridget Jones als Witwe zwangsweise erwachsen werden und zeigt sie in einer echten Krisensituation, aus der sich wiederum etwas Neues entwickeln kann. Dadurch erhält die Geschichte einige zusätzliche Ecken und Kanten, die Bridget Jones interessanter machen und womöglich – siehe oben – noch nahbarer und noch liebenswerter. Hugh Grant („Heretic“), der olle Schlingel, ist immer noch entzückend als gewissenloser Verführer und wird hier von Bridget zum Aushilfs-Babysitter degradiert. Und die wunderbare Emma Thompson hat mit ihren frechen Sprüchen wieder einige herrliche Momente als liebevoll energische Frauenärztin.
Auch Colin Firth („The King’s Speech“) taucht in einigen Einstellungen wieder auf – er ist immer noch in Bridget Jones Leben präsent, auch wenn er nicht mehr lebt. Und darum geht es eigentlich: um Trauer und um den Umgang damit. Wie gewohnt, erzählt Bridget Jones selbst in Ich-Form über dieses Leben, das an Emotionen reich ist und in dem der Humor nicht vorrangig, sondern eher unterschwellig ist, auch wenn es ab und an was zu lachen gibt. Der Film ist eher tragikomisch als witzig, wozu auch Renée Zellweger mit ihrem differenzierten Spiel beiträgt. Sie gibt Bridget diesmal über längere Strecken etwas leicht Verkrampftes. Seht her, sagt sie, hier ist eine Frau, die sich zur Normalität zwingen muss, die nach außen allen etwas vorspielt und in deren Inneren etwas zerbrochen ist.
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Das zeigt die zweifache Oscarpreisträgerin (für „Unterwegs nach Cold Mountain“ & „Judy“) mit teils recht wilden Grimassen und mit ihrem staksig-tapsigen Gang, der ihre Unsicherheit noch mehr betont. Erst als Bridget selbst beschließt, dass sie wieder anfangen will zu leben, geht es ihr besser, sie bewegt sich besser, wird lockerer, spätestens als sie entdeckt, dass sie den „magischen Männerbaum“ gefunden hat, an dem ihr sowohl der junge Roxster als auch Mr. Wallaker begegnen. Die beiden Darsteller machen ihre Sache sehr ordentlich, wobei Chiwetel Ejiofor („12 Years A Slave“) mit seinem rauen Charisma tatsächlich ein wenig an Colin Firth erinnert. Es hat lange gedauert, bis sich Bridget Jones und Mark Darcy endgültig gefunden haben – und nun muss sie ohne ihn weitermachen.
Fazit: Die Leichtigkeit und der Glanz der früheren Bridget-Jones-Filme sind vorüber, ebenso die freche Unbekümmertheit, jetzt regiert die harsche Realität. Die hat, so wie im echten Leben, ebenfalls ein paar schöne und manchmal sogar witzige Momente. Es ist gleichzeitig zu befürchten und zu hoffen, dass Bridget Jones in zehn Jahren wiederkehrt – dann kommt sie ins Rentenalter. Man darf gespannt sein, oder um mit Scarlett O’Hara zu sprechen: „Verschieben wir’s auf morgen.“
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