Marktbericht Neue Woche, alte Sorgen an der Börse
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Stand: 05.08.2024 09:39 Uhr
Der Ausverkauf an den Aktienmärkten hält zu Beginn der neuen Börsenwoche an. Die Sorge um die US-Konjunktur lässt den DAX weiter abrutschen. Der japanische Nikkei-Index verzeichnete den größten Tagesverlust seit 1987.
Auch in der neuen Woche setzt der DAX seinen Kursrutsch fort. Mit Blick auf einen Ausverkauf an den asiatischen Aktienmärkten sackt der deutsche Leitindex zu Handelsbeginn zeitweise um drei Prozent auf 17.127 Punkte ab und erreicht damit das Niveau von Ende Februar.
Angesichts der deutlichen Verluste in der Vorwoche im Zuge schwacher Weltbörsen und der Furcht vor einer Rezession in den USA hat der DAX am Morgen die viel beachtete 200-Tage-Durchschnittslinie unterschritten, die Hinweise auf den längerfristigen Trend gibt. Der technische Indikator liegt bei 17.399 Punkten. Bereits am Freitag war der DAX unter die im Mai eroberte psychologisch wichtige 18.000-Punkte-Marke gefallen. Am Ende war das Börsenbarometer um 2,3 Prozent auf 17.661 Punkte eingebrochen.
Heute reagierten die Anlegerinnen und Anleger vor allem auf den scharfen Kurseinbruch an den Börsen Asiens. Denn die Angst vor einem Einbruch der Weltwirtschaft hat dem japanischen Leitindex den größten Verlust seit 37 Jahren beschert. Der 225 Werte umfassende Nikkei notierte zum Handelsschluss 12,5 Prozent schwächer bei 31.420 Punkten. Der breiter aufgestellte Topix rutschte um 12,2 Prozent auf 2.227 Zähler ab.
Positiv aufgenommene Konjunkturdaten begrenzten indes die Verluste in China. Die Börse in Shanghai verlor 1,4 Prozent. Der Index der wichtigsten Unternehmen in Shanghai und Shenzhen gab ein Prozent nach. Das Wachstum im chinesischen Dienstleistungssektor hatte sich im Juli beschleunigt.
In der vergangenen Woche hatte eine schwächere Industriestimmung Sorgen vor einem wirtschaftlichen Abschwung in den USA aufkommen lassen. Am Freitag folgten dann schwächer als erwartet ausgefallene Daten vom Arbeitsmarkt, die zwar auf eine baldige Zinssenkung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) im September hindeuten, gleichzeitig die Furcht vor einer Rezession noch einmal verstärkten. Dazu kamen enttäuschend ausgefallene Quartalsbilanzen aus dem Tech-Sektor und die eskalierende Situation im Nahen Osten.
In New York hatten sich am Freitag daher die Kursverluste fortgesetzt. Am Ende des Tages lagen alle großen Wall-Street-Indizes deutlich im Minus. Der Leitindex Dow Jones verlor 1,51 Prozent auf 39.737 Stellen und liegt damit wieder unter 40.000 Punkten. Auch der marktbreite S&P-500-Index tendierte mit einem Minus von 1,84 Prozent deutlich schwächer. Der technologielastige Auswahlindex Nasdaq 100 sackte um 2,38 Prozent ab.
Die Devisenexperten der Commerzbank sprechen von "Panik am Markt im Hinblick auf die US-Konjunktur". "In den vergangenen Monaten erzeugten starke Konjunkturdaten die Illusion einer US-Wirtschaft, der nichts etwas anhaben kann", erklärt Jochen Stanzl von CMC Markets. Nun werde diese Vorstellung entzaubert und erstmals reagierten die Börsen auf schwache Daten. "Der Kurseinbruch geht einher mit einem Realitätseinbruch. Eine Rezession in der US-Wirtschaft wird plötzlich wieder für möglich gehalten", so der Experte.
Darüber hinaus werden die Anlegerinnen und Anleger laut Stanzl gerade mit zwei "unangenehmen Tatsachen konfrontiert". Zum einen komme das Wachstum im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) mit enormen Kosten daher, was die Margen schmälert und hohe Aktienbewertungen plötzlich als übertrieben erscheinen lässt. "Und zum anderen entfalten die restriktive Geldpolitik von Europäischer Zentralbank und Federal Reserve nun ihre Wirkung", sagt der Analyst.
Auch zum Wochenstart bleibt die Wirtschaft im Fokus der Investoren. Die Investment-Beratungsfirma Sentix veröffentlicht ihr Barometer zu den Konjunkturerwartungen der Börsianer im August. Laut den von Reuters befragten Volkswirten dürfte der Pessimismus leicht zunehmen: Der Indikator wird danach auf minus 8,0 Punkte von minus 7,3 Zählern sinken. Außerdem blicken die Marktteilnehmer unter anderem auf die Daten zu den Erzeugerpreisen in der Eurozone und die Einkaufsmanagerindizes für Europa und die USA.
Auch der Bitcoin verliert mit einer allgemein trüben Stimmung an den Finanzmärkten weiter kräftig an Boden. Der Kurs der ältesten und bekanntesten Kryptowährung sackte am Morgen auf der Handelsplattform Bitstamp bis auf 51.600 US-Dollar und erreichte den tiefsten Stand seit Februar. Seit Freitagabend hat der Bitcoin etwa 10.000 Dollar an Wert verloren. Einen vergleichbar starken Kurseinbruch hatte es zuletzt im Juni 2022 gegeben. Die zweitwichtigste Kryptowährung Ether wurde ebenfalls hart getroffen.
Unterdessen geht die auch Bilanzsaison weiter. Wegen einer schleppenden Nachfrage hat der deutsche Chipriese Infineon seine Umsatzziele zum dritten Mal binnen weniger Monate angepasst. "Die Erholung in unseren Zielmärkten schreitet nur langsam voran", sagte Jochen Hanebeck, Chef des Halbleiter-Herstellers. "Angesichts der anhaltend schwachen gesamtwirtschaftlichen Dynamik überlagern die Bestände an vielen Stellen die Endnachfrage." Aus diesem Grund stellte er für das Geschäftsjahr 2023/2024 nur noch einen Umsatz von etwa 15 Milliarden Euro in Aussicht. Zuvor hatte er 15,1 Milliarden Euro plus/minus 400 Millionen Euro angepeilt.
Außerdem will der Chipkonzern weltweit 1.400 Stellen streichen. Zudem sollen nochmal 1.400 Jobs aus Hochlohnländern weg verlagert werden, so Hanebeck. Wie sich die Streichungen regional aufteilen, ist noch offen. Für Deutschland schloss der Infineon-Chef betriebsbedingte Kündigungen aus.
Höhere Preise für Kupfer und Schwefelsäure haben Aurubis im dritten Geschäftsquartal Rückenwind geliefert. Zudem profitiert das Unternehmen weiter von gesunkenen Energiepreisen. Dem standen hohe Kosten für einen Wartungsstillstand in Hamburg gegenüber. Bei einem Umsatzanstieg um 13 Prozent auf fast 4,7 Milliarden Euro vervielfachte sich das operative Vorsteuerergebnis in den drei Monaten bis Ende Juni im Jahresvergleich auf 90 Millionen Euro, wie der MDAX-Konzern am Montag mitteilte.
Das Bayer-Mittel Finerenon hat dem Leverkusener Konzern zufolge in einer Phase-III-Studie bei bestimmten Herzinsuffizienz-Patienten ein statistisch signifikantes und klinisch relevantes Ergebnis erreicht. "Wir freuen uns sehr über die positiven Ergebnisse der FINEARTS-HF-Studie", sagte Christian Rommel, Leiter der Forschung und Entwicklung bei der Division Pharmaceuticals von Bayer: "Da derzeit Behandlungsoptionen für Patienten mit dieser häufigen Form der Herzinsuffizienz mit leicht verminderter oder erhaltener Auswurfleistung begrenzt sind, ist diese Nachricht für Patienten und Ärzte enorm wichtig."
Sechs große Digitalkonzerne verstoßen laut einer Studie des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen EU-Recht. Meta, der Konzern hinter Facebook, die Google-Mutter Alphabet, Microsoft, Apple, Amazon und der Tik-Tok-Betreiber ByteDance würden ihre Nutzer mit manipulativen Designs beeinflussen, berichtete die Süddeutsche Zeitung aus der Untersuchung. Ziel der Unternehmen sei es, die Zustimmung der Verbraucher für eine möglichst weitgehende Zusammenführung persönlicher Daten zu erhalten. Vzbv-Vorstand Ramona Pop kündigte an, die Ergebnisse an die EU weiterzuleiten und forderte eine konsequente Umsetzung des Digitalmarktgesetzes.
Protest, Produktionsstillstand, Probleme am Markt: US-Elektroautobauer Tesla fährt in diesem Jahr in Deutschland gegen wachsende Widerstände an. Das Unternehmen hält an den Ausbauplänen für seine einzige europäische Fabrik in Grünheide bei Berlin fest. Aber wegen der schwierigen Marktlage ist der Zeitplan völlig offen. "Wir gehen fest davon aus, dass der Markt wieder anziehen wird. Es ist sicherlich eine Frage wie schnell und wann", sagte Werksleiter André Thierig der Deutschen Presse-Agentur. Aber er betonte: "Wir werden nicht mehrere Milliarden für den Ausbau der Fabrik in die Hand nehmen, ohne dass die Signale ganz klar sind, dass das vom Markt auch abgefragt wird."
Der Internet- und Telekommunikationskonzern United Internet senkt nach dem vorübergehenden Ausfall des Mobilfunknetzes seiner Tochter 1&1 die Erwartungen an das Gesamtjahr etwas. Der Umsatz werde voraussichtlich bei 6,4 Milliarden Euro liegen, teilte das Unternehmen mit. Zuvor hatte das Unternehmen mit 100 Millionen Euro mehr gerechnet. Zwar wäre das immer noch eine Steigerung zu den gut 6,2 Milliarden Euro im Vorjahr. Analysten rechnen bisher allerdings mit dem Erreichen der alten Prognose.