Clint Eastwood hat „gute Zeit“ mit Stormy Daniels | MOPO.de
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Los Angeles -
89 Jahre. Bei diesem Alter ist es verständlich, dass Clint Eastwood vornüber gebeugt geht.
Das einstige Gardemaß (1,90 Meter) ist optisch geschrumpft. Und auch das Gehör ist nicht mehr das, was es mal war. Man muss die Stimme auf Verstärker stellen, damit Clint einen versteht. Und selbst dann wirkt er zeitweise ratlos. Was heißt: Bitte die Frage wiederholen.
Wie die, warum er als Regisseur und Produzent seines neuen Films „Richard Jewell“ (läuft bei uns Ende Februar) die Hauptrolle an den relativ unbekannten Schauspieler Paul Walter Hauser vergeben hat. Die Antwort zeigt, dass die Jahre Eastwoods Fachwissen und Gedächtnis nichts anhaben können. Er hat sich an Hauser von dessen (Neben-) Rolle in (dem drei Jahre alten Film) „I, Tonya“ erinnert.
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Dierk Sindermann sprach mit Clint Eastwood.
Magnus Sundholm/HFPA
Gehen wir noch ein bisschen weiter zurück. Erinnern Sie sich noch an die Karriere-Träume, die Sie in Ihren Anfangszeiten mit der Fernsehserie „Rawhide“ hatten?
Clint Eastwood: Mein großer Traum war, endlich aus „Rawhide“ aussteigen zu können (lacht). Ich habe die Serie am Anfang sehr genossen, doch dann…. Ich habe mir sozusagen den richtigen Weg erträumt. Nach Italien gehen, um dort Filme zu drehen. Die (Spaghetti-Western, Anmerkung der Redaktion) sind gut angekommen, und so habe ich dann auch in Amerika ein paar Filme gedreht, die okay waren. Und ab und zu hatte ich das Glück, dass einer richtig gut eingeschlagen hat.
Sie sind schon seit den 60er Jahren in Hollywood…
Clint Eastwood: … seit den 50ern! Ich habe 1953 angefangen. Da hatte ich in einem Film einen ganzen Satz zu sagen.
Sprich: Sie haben schon alles gesehen und sind auf alle Eventualitäten vorbeireitet.
Clint Eastwood: Schön wär‘s. Immer, wenn du denkst, du weißt alles, realisierst du, dass du manchmal gar nichts weißt. Egal, wie viele Filme du schon gedreht hast, wie lange du schon lebst – du hast immer noch eine Menge zu lernen!
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Aber wissen Sie bei Ihrer Erfahrung nicht schon beim Lesen eines Drehbuchs, ob ein Film Erfolgspotential hat?
Clint Eastwood: Von wegen. Jedes Projekt ist wie Zocken in Vegas. Ich bin oft zur Hälfte mit einem Film fertig, wenn die Zweifel kommen. Dann frage ich mich „Will das überhaupt jemand sehen?“. Am Ende ist alles Glück, wie ein Film einschlägt. Und wie lautet doch das alte Golfspieler-Motto: „Können ist gut, aber ich bevorzuge Glück.“ Am gefährlichsten ist es, voreilig zu denken: „Jetzt habe ich es perfekt hinbekommen“. Dann wirst du wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen – wie von einer wütenden Frau (lacht).
Der Sicherheitsmann Richard Jewell wurde weltweit bekannt, als er 1996 fälschlicherweise bezichtigt wurde, während der Sommer-Olympiade in Atlanta eine Bombe gezündet zu haben.
Clint Eastwood: Er wurde von den Medien unter Verdacht gestellt, weil er vom Aussehen und Background zu deren Bild als Bomber passte – egal, welche Fakten dagegen sprachen. Deshalb finde ich es sehr wichtig, dass die Presse faktisch korrekt berichtet. Bei Jewell hat sich jeder von seinen Vorurteilen treiben lassen. Er ist das schlimmste Beispiel, was passieren kann, wenn man es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt.
Die Gesellschaft hat sich in den letzten sechs Jahrzehnten sehr verändert, was sich auch auf Filme niederschlägt. Fällt es Ihnen manchmal schwer, mit der Zeit zu gehen?
Clint Eastwood: Das ist schwer zu beantworten. Wir leben auf jeden Fall in einem neuen Zeitalter und ich bin mir nicht immer sicher, ob die Dinge besser sind. Manchmal habe ich das Gefühl, wir entwickeln uns zurück. Besonders, wenn es um Rassismus geht. Auf der anderen Seite sind alle so überempfindlich. Ich bin zu Zeiten aufgewachsen, wo man sich fiese Dinge oder unschmeichelhafte Spitznamen an den Kopf geworfen hat und wir darüber lachen konnten. Heute versucht dir jeder ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn du nicht genau auf der aktuellen Linie liegst.
Wie bewerten Sie eigentlich Donald Trump als Präsident?
Clint Eastwood: Es ist der härteste Job der Welt. Einige Dinge, die ich sehe, sind gut, einige schlecht und andere hässlich. Jeder Tag hält meist eine neue Überraschung bereit. Das macht es interessant, und mit einigen Dingen stimme ich ihm auch überein. An einigen Tagen schau ich mir die Zeitung an und denke: „Das ist gar nicht so schlecht von ihm.“ Und an anderen denke ich: „Gott, das ist die dümmste Person der Welt.“ (lacht)
Sind Sie eigentlich Republikaner?
Clint Eastwood: Mich hat keine politische Partei in der Tasche! Ich habe keine bestimmte politische Philosophie. Ich erkenne nur Dummheit, wenn ich sie sehe (lacht). Und davon gibt es heute auf allen Seiten sehr viel.
Sie feiern im nächsten Mai einen runden Geburtstag, ihren 90sten...
Clint Eastwood: Mann, Sie hätten das jetzt ja nicht aussprechen müssen! Aber ja, Sie haben recht!
Schmieden Sie auch in Ihren 90ern weiter Zukunftspläne, wollen Sie weiter Filme produzieren?
Clint Eastwood: Man weiß ja selbst nicht, ob man es bis dahin schafft. Als ich vor 60 Jahren mit der Schauspielerei angefangen habe, habe ich nur gehofft, dass ich mich irgendwie durchschlagen kann. Und ich habe irgendwie das Glück, heute noch hier zu sein und nicht in irgendeinem Seniorenheim zu sitzen. Das verdanke ich wohl den Genen meines Großvaters. Ich werde auf jeden Fall weitermachen, solange es geht, und habe auch schon einen neuen Film im Visier.
Viele Ihrer Filme – so wie auch „Richard Jewell“ – drehen sich um Außenseiter, um Menschen, die von der Gesellschaft missverstanden werden. Was fasziniert Sie so an dieser Thematik?
Clint Eastwood: Ich fühle mich selbst auch als Outsider, auch wenn ich mir darüber nie groß einen Kopf gemacht habe. Aber ich habe dieses Thema immer interessant gefunden und es hat mich mein Leben lang angezogen.
Viele ältere Menschen schwärmen nostalgisch von den „guten, alten Zeiten“. Sie auch?
Clint Eastwood: Ich bin auf einer Hühner-Farm während der großen Wirtschaftskrise in den 30er Jahren aufgewachsen. Das war eine harte Zeit und alle waren depressiv. So viele Dinge sind heutzutage besser. Das schätze ich sehr. Die guten, alten Zeiten habe ich nie geliebt, weil sie nicht die GUTEN, alten Zeiten waren. Sie waren höchstens ab und zu mal okay!
Und was ist heutzutage eine gute Zeit für sie?
Clint Eastwood (schaut vermeintlich ratlos, bleibt sekundenlang stumm und lächelt dann verschmitzt): Stormy Daniels? (Porno-Star, Anmerkung der Redaktion) Ich erlaube manchmal meinen Gedanken, sich freien Lauf zu lassen.