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Hervé Renard ist vom Glück geküsst (nd-aktuell.de)

Hervé Renard ist vom Glück geküsst ndaktuellde
Trainer Hervé Renard ist ein Spezialist für Außenseitererfolge. Sein Sieg mit den Saudi-Arabien gegen Argentinien bringt sogar Bewegung in einen Konflikt zwischen Katar und den saudischen Machthabern.
Trainer Hervé Renard und Saudi-Arabien können das WM-Achtelfinale erreichen.

Trainer Hervé Renard und Saudi-Arabien können das WM-Achtelfinale erreichen.

Foto: dpa/Robert Michael

Er fühle sich »leicht«, sagt Hervé Renard, der Trainer des WM-Teilnehmers Saudi-Arabien, was gut nachvollziehbar ist nach einem Turniereinstieg, bei dem der in Sambia als »blonder Zauberer« gefeierte Franzose wieder einmal vom Glück geküsst worden ist. »Wir haben saudische Geschichte geschrieben, das wird immer bleiben«, sagt Renard nach dem immer noch etwas unwirklich erscheinenden 2:1-Sieg gegen Lionel Messis Argentinier, den er nun am Samstag gegen Polen mit Superstar Robert Lewandowski veredeln möchte. Der Einzug ins Achtelfinale mit den Saudis wäre ein weiteres verrücktes Kapitel in seiner unglaublichen Karriere, zuzutrauen ist das dem Mann aber in jedem Fall. Denn seit seinem erstaunlichen Turniersieg beim Afrika-Cup mit Sambia 2012 und einem zweiten Erfolg in diesem Wettbewerb mit den chronisch zerstrittenen Ivorern gilt Renard als Spezialist für Missionen, die eigentlich unmöglich sind. 

Bis vor ein paar Jahren war das noch anders. Der heute 54-jährige Renard war ein Fußballer ohne besonders großes Talent. In der Jugendakademie der AS Cannes trifft er Didier Deschamps und Marcel Desailly, die 1998 Weltmeister wurden, und weiß schnell, dass er nie ein ähnliches Niveau erreichen würde: Als Fußballer hinterlässt er kaum Spuren in Cannes, bei Stade Vallauris und dem SC Draguignan; am Karriereende ist er weder ein reicher Mann, noch hatte er einen richtig guten Zukunftsplan. Er wird Gebäudereiniger und putzt Büros, Fußball ist nur noch ein Hobby. »Nie werde ich diese Zeit vergessen, als ich jeden Morgen um drei aufstehen musste, um arbeiten zu gehen«, sagt er einmal, »acht Jahre lang habe ich den Müll rausgetragen.« Abends trainiert er die Amateure des SC Draguignan an der Côte d’Azur, bis er von dem Fußball-Globetrotter Claude Le Roy als Assistent angeheuert wird und eine Reise durch die Fußballwelt beginnt.

2012 gelingt ihm das unglaubliche Kunststück, mit Sambia den Afrika-Cup zu gewinnen. Drei Jahre später wird er beim Afrika-Cup-Sieg mit den Ivorern zum ersten und bislang einzigen Trainer, der die Kontinentalmeisterschaft mit zwei unterschiedlichen Mannschaften gewonnen hat. Kenner des afrikanischen Fußballs sagen, er sei einer dieser Typen, denen es irgendwie gelinge, immer im genau richtigen Moment am richtigen Ort zu sein. Weil er seinen Mentor Le Roy getroffen hat, weil er mit dem besten sambischen Team der vergangenen 40 Jahre zusammenarbeiten durfte. Und weil er genau in dem Moment für die Ivorer verantwortlich war, als die goldene Generation um die Brüder Yaya und Kolo Touré noch spielte, Didier Drogba aber schon aufgehört hatte, was die Machtkämpfe innerhalb des Teams beendete.

Wahrscheinlich ist er nebenbei auch noch ein ganz guter Trainer, aber die These vom richtigen Ort und der richtigen Zeit trifft nun abermals zu. Weil auch Saudi-Arabien bei dieser WM mit einer besonders talentierten Fußballergeneration antritt und weil überdies die erste WM in einem muslimischen Land gespielt wird. So trist dieses Turnier aus europäischer Perspektive erscheinen mag, so leuchtend ist es in den Augen großer Teile der arabischen Welt. Die Partie der Saudis gegen Argentinien war wohl das stimmungsvollste Spiel der bisherigen WM, am Abend feierten auf den Straßen von Doha Tausende Saudis gemeinsam mit Katarern, Tunesiern, Marokkanern. Die Machthaber in Saudi-Arabien beschenkten ihr Volk spontan mit einem Nationalfeiertag. Es war einer der Momente, in denen so etwas wie eine große, überraschende WM-Euphorie entstand, die sogar die politische Ebene erreichte.

Katars Emir Tamim Bin Hamad al-Thani legte sich eine saudische Flagge um die Schultern, was als große Geste der Versöhnung begriffen werden kann. Denn 2017 eskalierte ein Konflikt zwischen Katar und einer vom saudischen Kronprinzen Mohammad bin Salman angeführten Allianz mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Ägypten. Grenzen wurden gesperrt, um Katar vom Rest der Welt zu isolieren. Nach 2021 entspannte sich die Lage, diese WM treibt die Versöhnung nun weiter an. Wie nachhaltig diese Entwicklung ist, bleibt offen. Und dass dieser Erfolg der umstrittenen saudischen Sportstrategie hilft, die vorsieht, Olympische Spiele und vielleicht sogar eine weitere Fußball-WM an den Persischen Golf zu holen, mag in Europa großes Unbehagen auslösen. Immer wahrscheinlicher wird aber, dass dem früheren Gebäudereiniger Renard irgendwann einmal eine nicht ganz unwichtige Nebenrolle in einem historischen Vorgang zugeschrieben werden kann.

Lesen Sie alle unsere Beiträge zur Fußball-WM in Katar unter: dasnd.de/katar

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