Litauen und der Streit über die Versorgung von Kaliningrad: »Wir brauchen so viele Truppen hier wie möglich«
SPIEGEL: In Litauen lebt nur eine kleine Minderheit ethnischer Russen. Aber in Estland und Lettland sind die russischen Minderheiten bedeutender und machen jeweils ein Viertel der Bevölkerung aus. Könnten prorussische Stimmungen in diesen Bevölkerungsgruppen auch zu einem Sicherheitsrisiko werden? Russland behauptet ja immer, unterdrückte Landsleute im Ausland schützen und verteidigen zu müssen.
Šešelgytė: Die russische Minderheit bei uns in Litauen ist wirklich sehr klein, sie macht nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung aus. Die meisten hier sind gut integriert, aber es gibt auch solche, die in der russischen Informationsblase leben und Putin unterstützen. Sie könnten theoretisch manipuliert und instrumentalisiert werden. Größer ist diese Gefahr jedoch in Estland, wo die russischsprachige Bevölkerung in bestimmten Gebieten stärker konzentriert zusammenlebt. In Talinn gibt es Viertel, wo man heute nicht mit einer ukrainischen Fahne spazieren gehen könnte, ohne zumindest beschimpft zu werden, wie mir Kollegen berichten. Bei uns ist das Gegenteil der Fall: Viele Besitzer von Autos mit russischen und belarussischen Nummernschildern kleben hier ukrainische Flaggen an ihre Wagen, um sich vor Vandalismus zu schützen.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Interviews hieß es, laut Studien von 2015 könnte Russland Litauen binnen 72 Tagen einnehmen. Richtig ist: 72 Stunden. Wir haben die Stelle entsprechend korrigiert.