Betrug oder falsche Anschuldigungen? So reagiert Zwei-Sterne ...
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Es ist eines der renommiertesten Restaurants Österreich, das Konstantin Filippou in der Wiener Innenstadt. Seit sechs Jahren wird es durchgehend mit zwei Sternen ausgezeichnet und gilt unter Gourmets als Top-Adresse. Für den einmaligen Gaumenschmaus dürfen Gäste auch tief in die Taschen greifen, 360 Euro kostet das Menü. Doch es ist diesen stolzen Preis wert, immerhin werden die besten Zutaten verwendet – oder?
Auch der Michelin hebt in seiner Rezension besonders die hohe Qualität der verwendeten Produkte hervor:
„Wenn Konstantin Filippou sein umfangreiches Degustationsmenü zum Besten gibt, stehen Fisch und Seafood absolut im Mittelpunkt, auf Fleisch wird weitgehend verzichtet oder es spielt eher eine Nebenrolle. Die Produkte für die sehr modernen und kontrastreichen kleinen Gerichte seines Menüs stammen vorwiegend aus der Bretagne oder Skandinavien, so z. B. der herausragende Langostino aus Norwegen, der hier mit Kraut, Grapefruit und der Wild-Meeresalge Cochayuyo serviert wird.“
Doch nun die Kehrtwende:
Vor Kurzem erhielt die Wiener Zeitung von ehemaligen Mitarbeitern des Restaurants Unterlagen, die als Beweise für schwere Anschuldigungen dienen sollen. Demnach habe der beliebte Zwei-Sterne-Koch nämlich nicht nur was die hochwertigen Zutaten auf seiner Speisekarte angeht gelogen, sondern auch Angestellte schlecht behandelt und in nicht genehmigten Räumen gekocht.
„Wir wurden tagtäglich beschimpft. Ausdrücke wie ‚Arschloch‘ oder ‚Fick dich‘ sind Standard“,“ zitiert die Wiener Zeitung befragte ehemalige Mitarbeiter des Restaurants. Doch was sagt der Sternekoch dazu? Ist an den Vorwürfen etwas dran?
Wir haben ein exklusives Statement aus dem Hause Filippou erhalten:
Betrug
Laut der Wiener Zeitung seien Gäste über die Herkunft hochwertiger Zutaten getäuscht worden. Statt der auf der Speisekarte deklarierten norwegischen Jakobsmuscheln seien laut vorliegenden Fotos von Rechnungen preiswertere Varianten aus dem Nordwestpazifik serviert worden, ohne die Gäste darüber aufzuklären. Ähnliche Praktiken soll es mit Austern, Kaisergranat und Sojasauce gegeben haben. I
m Gespräch mit Rolling Pin widerspricht die Co-Founderin des Restaurant, Manuela Filippou:
„Uns wird Etikett-Betrug vorgeworfen, das ist schlicht und einfach nicht richtig. Ja, es wurden andere Austern angeboten, als auf der Speisekarte standen. Doch das haben wir nicht mit Absicht getan, das war ein Kommunikationsmissgeschick zwischen Küche und Backoffice. Als wir darauf aufmerksam gemacht wurden, haben wir die Austern-Art sofort auf der Karte geändert.“
Beleidigungen
Neben diesen Täuschungsvorwürfen berichten Ex-Beschäftigte über massiven psychischen Druck. Beschimpfungen wie „Arschloch“ oder „F*** dich“ seien laut ihnen alltäglich gewesen. Ein ehemaliger junger Mitarbeiter zur Wiener Zeitung: „Mir wurde jeden Tag gesagt, wie wertlos ich bin, und irgendwann habe ich es leider geglaubt. Er hat mir eine halbe Stunde lang klar gemacht, dass ich niemals etwas in meinem Leben erreichen werde.“
Filippou bestätigte der Zeitung die Wortwahl in Stressmomenten, bestritt jedoch eine bewusste Beleidigung.
Kochen im Keller
Zu alledem soll ein Kellerraum als Küche genutzt worden sein, obwohl er laut Behörden nur als Lagerraum erlaubt war. Die Wiener Zeitung beruft sich auf Videos und Aussagen der Mitarbeitenden. Vorliegendes Bildmaterial zeigt, dass teilweise neben einem Baustellenloch gekocht wurde. „Der Dreck von der Baustelle ist reingerieselt, während wir gekocht haben“, sagte ein ehemaliger Mitarbeiter im Gespräch mit der Zeitung.
Ein 360-Euro-Menü mit tiefgekühlten Muscheln aus Japan, Baustellenstaub und stark überarbeiteten Mitarbeitern … Klingt nicht unbedingt nach zwei verdienten Michelin-Sternen, oder?
Was steckt nun hinter all den Anschuldigungen? Immerhin gibt es unzählige Beweise, die der Wiener Zeitung vorliegen.
Wenige Stunden nach Erscheinung des Artikels haben Filippou und seine Frau Manuela ein gemeinsames Instagram-Posting mit einem Statement veröffentlicht und uns im Gespräch über einige der Missstände aufgeklärt.
„Für uns sind die Vorwürfe existenzbedrohend. Unser Restaurant gibt es seit 13 Jahren und seit sechs Jahren haben wir zwei Sterne. Das würde uns niemals gelingen, wenn wir so betrügen würden, wie es uns vorgeworfen wird,“ so Manuela Filippou. Und weiter: „Wenn ich einen Fehler mache, gebe ich ihn zu. Ja, es wurden andere Austern angeboten, als auf der Speisekarte standen. Doch das haben wir nicht mit Absicht getan, das war ein Kommunikationsmissgeschick zwischen Küche und Backoffice. Als wir darauf aufmerksam gemacht wurden, haben wir die Austern-Art sofort auf der Karte geändert.“
„Es ist ein wilder Vorwurf, dass wir Etikett-Schwindel betreiben, das würden wir niemals tun, darum haben wir die Journalisten zu uns eingeladen und die Anschuldigung aufgeklärt. Wir sind sehr um Aufklärung bemüht, darum auch das Online-Statement zu jedem einzelnen vorgeworfenen Punkt. Es werden noch weitere folgen,“ so die Co-Founderin des Zwei-Sterne-Restaurants.
Auf die Frage, wie sie zu den Fotos und Video stehe, die gemacht und der Wiener Zeitung geschickt wurden, antwortet sie: „Wenn in meinem Unternehmen solche Dinge ablaufen, gehe ich mit diesen Video zu meinen Vorgesetzten, nicht zu den Medien. Uns wurde keine Möglichkeit gegeben etwas zu unternehmen, weil wir nicht mit den Missständen konfrontiert wurden.“
Auch zur Keller-Thematik haben wir Filippou befragt. Die Reaktion: „Es handelt sich bei besagtem Raum um einen Keller, der als Lager fungiert. Zu keiner Zeit hätten wir gesehen oder mitbekommen, dass sich Mitarbeiter mit Waren in diesem Raum aufhalten geschweige denn dort kochen. Niemals hätten mein Mann oder ich das erlaubt. Dem müssen wir noch nachgehen. Aber das hätte uns zugetragen werden müssen, wir haben nichts davon mitbekommen.“
„In jeder Sekunde unseres Tuns sind wir um beste Qualität bemüht. Dass uns Fehler bei den Etiketten passiert sind und sich Mitarbeiter nicht wohl gefühlt haben, tut uns leid. Wir sind drauf und dran, dem nachzugehen. Aber uns illegale Küchen oder Betrug vorzuwerfen ist schlimm und nicht richtig.“
Was sind nun die Folgen des Eklats?
„Wir werden jetzt auf den Grund gehen, welcher Mitarbeiter wann entschieden hat, andere Austern zu kaufen und wieso die Entscheidung ihren Weg nicht zu uns gefunden hat, damit wir es auf der Speisekarte hätten ändern können. Wir wollen eine ordentliche Arbeit leisten und tun täglich unser Bestes. Seit Anfang des Jahres gibt es bei uns eine Vier-Tage-Woche, wir haben die Küchenzeiten eingeschränkt – das Wohl der Mitarbeiter liegt uns natürlich sehr am Herzen. Wir sind stetig drauf und dran unsere Arbeit zu optimieren und Probleme aus der Welt zu schaffen.“
Auf die Frage, ob sie nach den Vorwürfen eine kurze Pause einlegen wollen, sagt Filippou: „Nein, bestimmt nicht. Ich habe viele Mitarbeiter und eine Familie, die kann ich nicht einfach im Stich lassen, gleich wie unsere Gäste. Wir versuchen in Meetings und optimierten Abläufen potentiell aufkommenden Problemen entgegenzuwirken. Aber das machen wir nicht erst seit diesem Skandal, sondern schon seit längerer Zeit. Einfach, weil wir so gut es geht alles richtig machen wollen.“
Zum Artikel der Wiener Zeitung (eingesehen am 20.02.2025): Link
Konstantin Filippou
Seine berufliche Laufbahn startete Filippou als 15-Jähriger mit einer Kochlehre. Danach füllten namhafte Stationen den Lebenslauf des Wahl-Wieners: In seinen Lehr- und Wanderjahren war Filippou im Restaurant Obauer im salzburgerischen Werfen, in Heinz Reitbauers Steirereck in Wien, in den Restaurants Gordon Ramsay und Le Gavroche in London sowie im Arzak in San Sebastián tätig. Im Jahr 2013 eröffnete Filippou schließlich sein eigenes Restaurant in Wien, das heute mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist.
konstantinfilippou.com/restaurant/