Matthias Mayer: Ein Begnadeter zieht spontan einen Schlussstrich

Der dreifache Olympiasieger verlässt die Skiweltcupbühne ohne Getöse
Kopf des Tages
/Thomas Hirner
29. Dezember 2022, 17:30
, 45 Postings
In dieser Galerie: 2 Bilder

Der letzte große Sieg gelang Mayer bei Olympia in Peking im Super-G...

Einen anderen dieser Art feierte er 2020 in Kitzbühel als Sieger der Abfahrt.
"Mir reicht’s!" Mit diesen und freilich auch anderen Worten hat der charismatische Skirennläufer Matthias Mayer am Donnerstag nach der Besichtigung des Super-G-Kurses in Bormio en passant und mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt verkündet, als ihn der nichts ahnende Rainer Pariasek im ORF interviewte.
Der Dreifacholympiasieger habe sich nach kurzer Nachdenkphase spontan dazu entschlossen. Dabei hatte der 32-Jährige bereits im Frühjahr über einen Rücktritt sinniert, diesen Gedanken aber verworfen. "Das Feuer brennt nach wie vor sehr", sagte "Mothl" erst vor wenigen Wochen. Nun scheint es erloschen, der Hunger gestillt. "Ich habe nicht mehr so den Biss."
Dass der Wille Berge versetzen kann, hat Mayer bewiesen, als er seinen Herzenswunsch, Olympiasieger zu werden, 2014 in der Abfahrt zu Sotschi eindrucksvoll in die Tat umsetzte, obwohl er bis dahin noch kein Weltcuprennen gewonnen und seine Karriere wegen einer entzündlichen Gelenkerkrankung als Folge einer Lebensmittelvergiftung gehörig gewackelt hatte.
Dreimal Gold bei OlympiaDer bodenständige, stets mit hochgezogenen Mundwinkeln vor die Mikros tretende Kärntner aus Afritz am See ließ sich auch nach einem Sturz 2015 in Gröden nicht von seinem Erfolgsweg abbringen, obwohl er sich damals Wirbelverletzungen zugezogen hatte. 2018 wiederholte er in Pyeongchang seinen Coup aus Russland und gewann Gold im Super-G. Anfang des Jahres triumphierte er in China erneut im Zeichen der fünf Ringe und holte seine dritte Goldmedaille – wieder im Super-G.
Geflüchtete Familie unterstütztBesonderes hat auch seine Familie geleistet, die sich trotz Ressentiments in der Bevölkerung um zwei aus dem Irak geflüchtete Familien kümmerte. Die "unglaublichen Geschichten" ihrer sechs Monate dauernden Reise beeindruckten Mayer "wie ein Film, nicht wie die Realität".
Der Absolvent des Sport-Borg in Spittal/Drau hat sich unter anderem in Kitzbühel, Wengen und Bormio in die Siegerlisten eingetragen, nun tritt der elffache Weltcupsieger ohne Weltmeistertitel und Kristallkugel mitten in der WM-Saison "topfit" ab – auf ungewöhnlich spontane Weise und ohne Getöse. Überrascht hat er damit auch die Familie, allen voran seine angeblich nicht eingeweihte Frau Claudia, die diesen Schritt wie Mutter Margret begrüßen wird. Schlucken müssen wohl sein ihn managender Bruder Lucas und Vater Helmut (56), der selbst Weltklasserennläufer (Olympiasilber 1988 in Calgary) war und den Sprössling einst auf Skier stellte und trainierte. (Thomas Hirner, 29.12.2022)