Ukraine-Konflikt: Gassanktionen nun für Österreich Option - news
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Österreich würde westliche Sanktionen gegen Russland unterstützen, wenn das Land in die Ukraine eindringt, selbst wenn sie die Gaspipeline „Nord Stream 2“ in der Ostsee umfassen. Das sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bei einem Besuch in Berlin gegenüber dem Nachrichtenportal Politico. „Hier braucht es eine klare Position – und wir unterstützen auf jeden Fall Sanktionen bis einschließlich Nord Stream und natürlich Gas“, wird Sobotka von Politico zitiert.
Die Aussagen sind bemerkenswert, denn noch am Wochenende hatte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) die Gasversorgung und insbesondere die Pipeline „Nord Stream 2“, die noch der deutschen Betriebsbewilligung harrt, diese in einem „Presse“-Interview explizit ausgenommen. Bekanntlich ist die OMV Teil des Pipeline-Konsortiums – und nicht wenige heimische Firmen haben Geschäftsverbindungen nach Russland.
Sobotka-Sprecher: Kein Abweichen von LinieFreitagnachmittag betonte Sobotkas Sprecher Rouven Ertlschweiger in einer Aussendung, Sobotka weiche mit seinen Aussagen nicht von der bisherigen Linie Österreichs ab. Er habe im Politico-Interview unterstreichen wollen, "dass die Frage möglicher Konsequenzen einer Einbeziehung von „Nord Stream 2" in mögliche Sanktionsregime natürlich mitbedacht, diskutiert und abgewogen“ werden müsse, so Ertlschweiger. Sobotka habe im Interview mehrfach betont, Österreich trage „das gemeinsame EU-Sanktionsregime gegenüber Russland selbstverständlich mit“, so dessen Sprecher.
Und auch aus dem Außenministerium wurde gegenüber der APA betont, es gebe keine Änderung in der Haltung Österreichs.

In der deutschen „Ampelregierung“ gibt es zwischen SPD und Grünen hier unterschiedliche Positionen, zuletzt dürfte Kanzler Olaf Scholz (SPD) aber leise von seiner Position, dass sich Sanktionen nicht gegen „Nord Stream 2“ richten sollen, abgerückt sein.
Immerhin hatte die US-Spitzendiplomatin Victoria Nuland am Donnerstag Moskau gewarnt, dass im Fall eines Einmarsches in die Ukraine „Nord Stream 2“ nicht in Betrieb gehen werde – und sich dabei explizit auch auf Aussagen aus Berlin bezogen. Es wäre zumindest sehr verwunderlich, wenn eine solch klare Warnung ohne Abstimmung mit Berlin erfolgte und man den wichtigen Bündnispartner in dieser schwierigen Phase vor den Kopf stoßen würde.
Gegenseitige AbhängigkeitFür Russland sind Gas und Öl die wichtigsten Exportgüter und Devisenbringer. Zeitweise ließ Moskau in den vergangenen Jahren offenbar die Muskeln spielen, als es wiederholt die Gasexporte – speziell jene durch die Ukraine – drosselte und Europa damit nervös machte. Allerdings stoppte Russland (und davor die Sowjetunion) selbst in den schlimmsten Krisen die Gaslieferungen nie zur Gänze. Das könnte sich Moskau wirtschaftlich auch nicht erlauben. Europa wiederum bezieht 40 Prozent seines Gasbedarfs von Russland. Am Freitag wurde aber bekannt, dass die EU mit den USA zusätzliche Gaslieferungen vorbereitet, um die Abhängigkeit von Russland zu verringern.
Politico: Kritik an ÖsterreichÖsterreich sei in den letzten Tagen hinter den Kulissen in Europa kritisiert worden, nachdem Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Außenminister Schallenberg signalisiert hatten, dass Wien die Verknüpfung von Russlands Vorgehen in der Ukraine mit Sanktionen gegen die Pipeline nicht unterstütze, kommentierte Politico Sobotkas Aussagen.
„Eine Pipeline an sich schon als Bedrohung zu sehen, ist eher unangemessen, insbesondere wenn es um die Sicherheit der europäischen Gasversorgung geht“, sagte Nehammer gegenüber deutschen Medien. In den vergangenen Tagen bekräftigte Schallenberg Nehammers Widerstand gegen die Verknüpfung von „Nord Stream 2“ mit Sanktionen und betonte die Abhängigkeit Europas von russischem Gas. „Das werden wir nicht über Nacht ändern können, wenn wir Wärme und Strom wollen“, sagte er.
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Debatte
Ukraine-Krise: Droht ein Krieg in Europa?Die Äußerungen von Sobotka würden darauf hindeuten, dass sich Österreich im Ernstfall letztlich dem Willen seiner europäischen Verbündeten beugen würde. Er stellte fest, dass Österreich gut auf etwaige Versorgungsstörungen vorbereitet sei, schrieb Politico.
„Erstens haben wir genügend Gas auf Lager (…) Es kann durchaus sein, dass es hier und da Engpässe in der Industrie gibt, aber man kann Produktionsgüter nicht gegen Menschenrechtsverletzungen und vor allem Völkerrecht abwägen“, sagte er.
Der außenpolitische Sprecher von NEOS, Helmut Brandstätter, forderte am Donnerstag, „Nord Stream 2“ als Druckmittel gegen Russland einzusetzen, sollte dieses die Ukraine angreifen. Es brauche ein „klares Vorgehen gegenüber der russischen Aggression“, so Brandstätter im Vorfeld der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates Freitagabend. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner begründete die Sitzung damit, dass Europas und Österreichs Sicherheit bedroht sein könne. Man müsse auch über nicht militärische Mittel zur Lösung des Konflikts beraten, so die SPÖ-Chefin.
In Österreich befindet sich mit dem Gashub im niederösterreichischen Baumgarten ein wichtiger Gasknotenpunkt, von dem aus Gas über mehrere Pipelines in andere europäische Länder weitertransportiert wird.
Die Befürchtungen um Europas Gasversorgung sind in den letzten Wochen vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Situation an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine gewachsen, wo der russische Präsident Wladimir Putin mehr als 100.000 Soldaten stationiert hat, was der Westen für den Auftakt zu einer möglichen umfassenden Invasion hält.
Sobotka sagte weiters, Österreich habe „eine große Anzahl von Unternehmen, die mit Russland und der Ukraine verbunden sind (…) und ein großes wirtschaftliches Interesse daran, dass diese guten Verbindungen aufrechterhalten werden können“.
„Keine politische Neutralität“Aber er fügte hinzu, die österreichische Neutralität sei militärisch zu verstehen, nicht politisch. „Für uns gibt es keine politische Neutralität, das muss klar gesagt werden“, betonte er. „Darauf haben wir uns am Ende mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs geeinigt – und das waren nicht nur Russland, sondern auch die USA, Großbritannien und Frankreich.“