Mafia-Anschuldigungen: Haftbefehl gegen René Benko von Italiens ...
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Stand: 30.12.2024, 17:59 Uhr
Von: Mark Simon Wolf
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René Benko ist im Visier der italienischen Justiz. Er wird verdächtigt, als „Capo“ einer „mafiaartigen kriminellen Vereinigung“ agiert zu haben – trotz Haftbefehl fehlen noch konkrete Beweise.
Bozen – Die Öffentlichkeit hat es in diesen Tagen schwer, bei René Benko den Überblick zu behalten. Noch immer – so scheint es – wohnt er in dicken Villen oder wird mit dem Tiroler SPÖ-Politiker Georg Dornauer bei Ausflügen in seinem eigenen Jagdrevier gesichtet. Die Empörung ist oft groß – und dennoch, gibt es (noch) keinen Anstoß an Benkos Alltagsgeschehen: Denn verurteilt ist das einstige österreichische Wunderkind offiziell noch nicht. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Um ihn und sein ehemaliges, rund 1000 Firmen umspannendes Imperium spannt sich jedoch ein Netz aus Vorwürfen und Verfehlungen. Das milliardenschwere Unternehmensgeflecht rund um die Signa Holding ist längst pleite – und hat mittlerweile Insolvenz beantragt. Außerdem laufen in mehreren Staaten Ermittlungsverfahren.
„Capo“ René Benko? Schwere Mafia-Vorwürfe gegen den Österreicher in Italien
In Deutschland zeugen etwa die Insolvenzen der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof, der Signa-Group mit dem Baugerippe des Elbtower in Hamburg und der Traditionswerft im niedersächsischen Papenburg von den Verwüstungen, die der Österreicher auch auf dem deutschen Investorenmarkt hinterlassen hat. Zahlreiche ehemalige Geschäftspartner und tausende Anleger fühlen sich zudem von Benko um ihr Geld betrogen.
Auch in Italien spitzt sich die Situation zu: Die dortige Staatsanwaltschaft wirft Benko vor, in Südtirol als „Capo“ einer „mafiaartigen kriminellen Vereinigung“ gewirkt zu haben. Im Zentrum des Vorwurfes stehen Benkos Geschäfte rund um den Waltherpark in der südtiroler Landeshauptstadt Bozen – sowie 77 weitere Personen, gegen die aktuell noch ermittelt wird. Das Milliardenprojekt der Signa Group wurde von Stararchitekt David Copperfield entworfen und als modernes Mixed-use-Quartier mit Büros, Wohnungen, Gastronomie, Hotels sowie einem Einkaufszentrum konzipiert.
Mittlerweile hat die deutsche Schoeller Group das Projekt von Signa übernommen, sodass die Fertigstellung bis August 2025 vorerst gewährleistet ist. Doch die Vorwürfe über Korruption, Betrug und illegale Parteienfinanzierung bis hin zur Amtsgeheimnisverletzung in Bezug auf die Immobilienvorhaben im Norden Italiens bleiben an Benko haften.
Italienische Justiz erlässt Haftbefehl gegen Benko – doch Österreich liefert nicht aus
Er selbst wird von der italienischen Justiz per Haftbefehl gesucht, allerdings liefert Österreich seine Staatsbürger grundsätzlich nicht an ausländische Behörden aus. Laut den Ermittlungsakten drehen sich die Vorwürfe überwiegend um „offenkundige Bevorzugung, Schmiergelder, Druck und Anomalien“ – die Justiz stützt ihre Ermittlungen unter anderem auf eine Aussage eines Vermessungstechnikers aus dem Jahr 2019. Demnach hätten lokale Politiker und Beamte sowie einflussreiche Unternehmer gezielt Genehmigungsverfahren manipuliert. Bei Widerständen wurde etwa lokalen Grunderwerbs-Bestimmungen zu Gunsten privater Investoren verändert – angeblich im Auftrag oder sogar unter Druck von Benko, so vermutet es zumindest die Staatsanwaltschaft.
Die Akten sprechen zudem von einer Bozener Spitzenbeamtin, die Genehmigungen ohne gesetzliche Grundlage ausgestellt habe. Behördenintern soll sie „ein Dossier mit vertraulichen Informationen über Verwaltungsangestellte und öffentliche Bedienstete erstellt haben“, als Druckmittel. Ebenfalls im Visier der Trentiner Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft sind neben Benko auch der Bozner Steuerberater Heinz Peter Hager – gleichzeitig Vorstandschef von der nach Benkos Tochter benannten Laura Privatstiftung – sowie der Unternehmer Paolo Signoretti aus der Stadt Rovereto. Zusammen sei das Trio Initiator der „mafiaartigen“ Struktur in Bozen gewesen.
Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft hat Beteiligte seit 2019 im Visier – es fehlen klare Beweise
Und auch längst darüber hinaus: Im Kreis der Verdächtigen befindet sich anscheinend auch eine Stadträtin aus Verona, die vor Ort den Ausschreibungen für den Ausbau des Bahnhofs Verona Porta Nuova getrimmt haben soll. So hätten sie Hager und Signoretti im laufenden Verfahren gezielt mit Informationen versorgt und dadurch auch den Zuschlag für die Signa Group gewährleistet. Auch hier dauern die Ermittlungen an, doch hat die Justiz in derartigen Verstrickungen dank des Anti-Mafia-Gesetzes mächtigere Hebel zur Verfügung als jene in Österreich oder Deutschland – unter anderem die Ausstellung eines sofortigen Haftbefehls bei anfänglichem Verdacht. Zusätzlich haben die italienischen Gesetzeshüter laut Recherchen des ORFs einzelne Verdächtigte seit 2019 im großen Stil abgehört, über Telefonmitschnitte, Wanzen in Behördenbüros sowie Trojanern auf Smartphones. Offen sind nach wie vor die konkreten Ergebnisse, ein konkreter Beweis, der die drei Hauptprotagonisten um Benko direkt mit den Taten in Verbindung bringt, fehle noch.
Benkos Anwalt dementiert die Vorwürfe vehement und erklärt gegenüber dem Handelsblatt, dass rund 90 Prozent der untersuchten Sachverhalte keinen Bezug zu Signa oder seinem Mandanten hätten. Hager und Benko wollten vielmehr mit den Behörden kooperieren und bei der Aufklärung helfen.
Regierungspartei fürchtet um Finanzstabilität Italiens – Benko schippert über den Gardasee
Auch in politischen Kreisen obsiegt derzeit noch die Zurückhaltung. Die in Trentino gewählte Abgeordnete Alessia Ambrosi von der Regierungspartei Fratelli d’Italia warnte sogar indirekt vor den negativen Auswirkungen der Verwicklungen für Italiens Finanzstabilität. So habe die Signa Holding bei italienischen Banken im großen Stile Kredite aufgenommen, wie die Austria Presse Agentur erfuhr: „Die Verlangsamung von Immobilienprojekten, wie z.B. dem Waltherpark in Bozen, und der Stopp von Auslandsgeschäften könnten schwerwiegende Auswirkungen auf die Beschäftigung, das lokale Wirtschaftsgefüge und die Wachstumsaussichten des Immobiliensektors haben.“
Wie sicher sich Benko seiner Sache indes ist, demonstrierte er im August 2023. Ein Foto zeigt den ehemaligen Immobilienmogul mit Freunden auf einem luxuriösen Motorboot auf dem Gardasee. Das war wohlgemerkt vor dem Haftbefehl.