Warum Signa-Gründer René Benko jetzt die U-Haft droht
Insolvenz
Benko wurde am Donnerstag in Innsbruck wegen Tatbegehungs- und Verdunkelungsgefahr festgenommen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat U-Haft beantragt
Renate Graber Fabian Schmid Jakob Pflügl
aktualisiert am 23. Jänner 2025, 17:37
Nun liegt das Schicksal René Benkos in den Händen des Straflandesgerichts Wien. Eine Haftrichterin oder ein Haftrichter muss entscheiden, ob der 47-jährige Signa-Gründer in Untersuchungshaft genommen wird oder nicht. Davor hatten sich die Ereignisse am Donnerstag geradezu überschlagen: In der Früh war Benko in seiner Villa in Innsbruck-Igls festgenommen worden, Kriminalisten hatten ihn in Polizeigewahrsam gebracht – und zwar aufgrund einer Festnahmeanordnung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Nach der Überstellung Benkos in die Justizanstalt Wien-Josefstadt hat das Gericht nun 48 Stunden Zeit, um über den WKStA-Antrag auf Verhängung der U-Haft zu entscheiden.
Die Festnahme stellt den vorläufigen Höhepunkt im Ermittlungsverfahren rund um Benko und die Signa-Pleite dar. Vor rund 13 Monaten ist die erste Signa-Gesellschaft umgefallen, viele weitere sollten folgen. Und wie kommt es, dass die österreichische Justiz Benko nach all den Monaten nun doch in U-Haft sehen will? Laut einer Pressemitteilung der WKStA von Donnerstag werfen die Ermittler Benko sinngemäß vor, er habe versucht, Vermögen zu verschleiern und so Gläubigerinnen und Gläubiger zu schädigen – und das, obwohl bereits Insolvenzverfahren liefen. Benko soll quasi an der Insolvenzmasse vorbeigewirtschaftet haben. Aus Sicht der WKStA besteht sowohl Verdunkelungs- als auch Tatbegehungsgefahr – neben dem dringenden Tatverdacht genug Gründe für eine U-Haft. Benko hat die Vorwürfe bisher stets bestritten. Für ihn und alle weiteren Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
Welche Rolle spielte Benko?
In der Causa Signa geht vor allem auch um die Rolle Benkos, der offiziell ja keine Organfunktionen in der Gruppe ausgeübt hat, auch nicht in den von ihm gegründeten Privatstiftungen. In Bezug auf die Tatbegehungsgefahr hielt die WKStA aber fest, dass Benko unter anderem "faktischer Machthaber und wirtschaftlicher Berechtigter" der Laura-Privatstiftung sein soll, er habe das allerdings im Rahmen seiner persönlichen Insolvenz verheimlicht. Zur Erinnerung: Benko ist seit vorigem Frühjahr auch selbst als Unternehmer insolvent. Dieses Verfahren läuft in Innsbruck.
Zur aktiven Rolle Benkos in der Stiftung beruft sich die WKStA auf intensive Ermittlungen der vergangenen Monate, etwa auf Ergebnisse einer Telefonüberwachung, aus Nachrichtenauswertungen und Aussagen von Geschäftspartnern, Geschäftsführung und Mitarbeitern. Zum Punkt Verdunkelungsgefahr bezieht sich die Behörde darauf, dass Benko nachträglich eine Rechnung hergestellt und damit ein Beweismittel gefälscht habe. Grund dafür: Er habe quasi drei "hochpreisige Schusswaffen" für sich retten wollen.
Abseits der Festnahme sind die Ermittler am Donnerstag auch zu weiteren Hausdurchsuchungen in Tirol, Vorarlberg und Wien ausgeschwärmt. So soll angeblich die Wohnung Benkos am Wiener Fleischmarkt sowie das Chalet N in Lech in Vorarlberg durchsucht worden sein. Dabei seien "zu sichernde Vermögenswerte und relevante Unterlagen sichergestellt sowie Datenträger und Daten beschlagnahmt" worden.
Vielzahl von Vorwürfen
Und um welche Verfahrensstränge in der Causa Signa, derentwegen ermittelt wird, geht es nun genau? Die WKStA nennt drei Themen. Erstens soll Benko frisches Kapital im Rahmen eines "Geldkarussells" aufgestellt und damit Investoren getäuscht haben. Er habe letztlich deren Geldspritze als seinen eigenen Beitrag ausgegeben. Die WKStA fasst das unter "Kapitalerhöhung durch Geldkarussell" zusammen.
Weiters spielt die prächtige Villa Eden Gardona eine Rolle. Das Anwesen am Gardasee soll von der Signa Holding an die Benko nahestehende Ingbe-Stiftung in Liechtenstein verkauft worden sein, freilich ohne ausreichenden Gegenwert. Da besteht also der Verdacht der Untreue gegen Benko und andere. Der dritte Punkt ist die persönliche Insolvenz René Benkos. Der Beschuldigte soll in seinem Insolvenzverfahren eben verheimlicht haben, dass er faktischer Machthaber bei der Laura-Privatstiftung ist. Zudem soll der Signa-Gründer Vermögenswerte wie hochwertige Waffen oder Uhren versteckt beziehungsweise ohne angemessene Gegenleistung veräußert haben. Damit habe er Gläubiger geschädigt. Der Verdacht lautet hier also auf betrügerische Krida.
Vorwürfe in mehreren Ländern
Ungemach droht dem Immobilienunternehmer aber auch von anderer Seite, ermitteln die Behörden doch auch in Deutschland und in Liechtenstein gegen ihn; dort geht es um den Verdacht der Geldwäsche. Die WKStA gab nun ein engeres Zusammenrücken mit den dortigen Ermittlern bekannt, man werde im Rahmen eines Joint-Investigation-Teams mit den Staatsanwaltschaften Berlin und München I zusammenarbeiten. Diese Kooperation wird wohl gleich auch bei einem neuen Verfahrensstrang schlagend werden. Denn die WKStA ermittelt neuerdings auch wegen des Verdachts auf einen Investmentbetrug beim "Projekt Franz" am Bahnhofsplatz in München. Benko und andere sollen einen ausländischen Staatsfonds ins Investment gelockt haben, der Anleiheerlös sei dann aber teils zweckwidrig verwendet worden.
In Italien verfolgt man Benko überhaupt schon seit mehr als fünf Jahren. Im Dezember wurde bekannt, dass die italienische Justiz einen Europäischen Haftbefehl gegen Benko ausgestellt hat. Die Italiener haben bereits seit 2019 Beschattungs-, Abhör- und andere weitgehende Ermittlungsmaßnahmen getroffen, ohne dass das bekannt geworden wäre. Die Italiener werfen Benko und seinen Geschäftspartnern – allen voran seiner rechten Hand in Südtirol, Unternehmer Heinz Peter Hager – vor, in Norditalien und Südtirol eine "mafiaähnliche" kriminelle Verbindung gegründet und ungebührlichen Einfluss auf Behörden genommen zu haben. Aufgrund der Bestechungsvorwürfe wurde auch die Bürgermeisterin einer Gemeinde am Gardasee vorübergehend unter Hausarrest gestellt. Sie alle bestreiten die Vorwürfe.
Vollstreckt wurde der Europäische Haftbefehl gegen Benko allerdings nicht, weil er sich zu diesem Zeitpunkt in Österreich aufhielt. Österreicherinnen und Österreicher werden grundsätzlich nicht ausgeliefert, wenn die vorgeworfenen Straftaten auch in Österreich strafbar sind. Die aktuelle Festnahme in Österreich dürfte mit den Vorwürfen in Italien nicht direkt zusammenhängen.
Richter am Zug
Wie es nun weitergeht: Die nächsten Stunden werden für Benko und seinen Anwalt Norbert Wess spannend. Noch am Freitag könnte der zuständige Haftrichter am Straflandesgericht Wien die U-Haft bzw. einen Hausarrest verhängen. Sollten "gelindere Mittel" reichen, müssten weniger einschneidende Maßnahmen ergriffen werden. So könnte Benko etwa die Pflicht auferlegt werden, an einem bestimmten Ort zu bleiben, seinen Aufenthaltsort nicht zu ändern und sich regelmäßig bei den Behörden zu melden. Die Freilassung gegen Zahlung einer Kaution ist aber ausgeschlossen, sie wäre laut Gesetz nur möglich, wenn "ausschließlich" Fluchtgefahr vorliegt – die ist bei Benko aber offenbar gar kein Thema. (Renate Graber, Fabian Schmid, Jakob Pflügl, 23.1.2025)