1941–2022: Vivienne Westwood ist tot
Mit ihrem radikalen und schrillen Ansatz machte sich Westwood bald international einen Namen. Ihre Mode war auf den Laufstegen in London, Paris, Mailand und New York zu sehen. Ihre Bandbreite war groß, die Arbeit aber nie vorhersehbar. „Sie gaben der Punkbewegung einen Look, einen Stil, und der war so radikal, dass er mit allem in der Vergangenheit brach“, sagte Andrew Bolton, Kurator des Costume Institute im Metropolitan Museum of New York, gegenüber der Associated Press (AP).
„Die zerrissenen Hemden, die Sicherheitsnadeln, die provokanten Slogans. Sie führte den Postmodernismus ein. Sie war ab Mitte der 1970er Jahre sehr einflussreich. Die Punkbewegung hat sich nie aufgelöst – sie ist Teil unseres Modevokabulars geworden. Sie ist jetzt Mainstream.“ Je älter Westwood wurde, desto mehr wurde ihre Mode auch in verschiedenen Sammlungen von Museen gezeigt.
29th December 2022.
Vivienne Westwood died today, peacefully and surrounded by her family, in Clapham, South London.
The world needs people like Vivienne to make a change for the better. pic.twitter.com/YQwVixYUrV
— Vivienne Westwood (@FollowWestwood) 29. Dezember 2022
Westwoods Leben und Karriere waren von Widersprüchen geprägt. Die in der Nähe von Manchester 1941 geborene Westwood, Tochter eines Baumwollspinners und Kolonialwarenhändlers, hängte ihren Lehrerberuf erst in den 70er Jahren an den Nagel und startete ihre Modekarriere. Die zweifache Mutter hatte bereits zuvor begonnen, Kleidung für ihre Söhne zu schneidern. Mitte der 70er wurde sie mit der Erfindung der Punkmode bekannt. Sie war vor allem für ihre androgynen Schnitte und provozierenden Slogans bekannt.
Westwood gilt als Wegbereiterin des Punk in der Modebranche. Gemeinsam mit dem damaligen Kunststudenten Malcolm McLaren führte sie eine Boutique mit oft wechselnden Namen von Let it rock zu Too fast to live in der Londoner King’s Road. Das gemeinsame Geschäft wurde später in Sex umbenannt, Ende 1975 begann McLaren eine Punkrockband zu managen, die aus Stammkunden des Ladens bestand – die Sex Pistols. Sie wurden berühmt, weil sie Westwoods und McLarens Designs trugen. Den Erfolg aus der Kings’s Road trug Westwood in die Welt und baute daraus eine globale Modemarke auf, die heute Geschäfte in Großbritannien, Frankreich, Italien, Amerika und Asien hat.
Kampf gegen das Establishment, Ehrung durch die QueenSie mischte die Öffentlichkeit mit ihrer respektlosen Haltung gegenüber dem Establishment just in der Zeit auf, als mit Margaret Thatcher eine andere kontroversielle Frau die – politische – Bühne als britische Premierministerin betrat. Westwood rebellierte gegen die Gesellschaft, aus der sie stammte, griff aber doch auf deren Attribute wie den Reichsapfel zurück, den sie für ihr Logo mit einem Ring des Saturn umspannte. Auch nach der Trennung von McLaren blieb sie der rebellischen Kreativität treu. Sie ließ sich von der Mode aus dem 18. und 19. Jahrhundert inspirieren und entwarf schrille und exzentrische Varianten der Prachtkleider.
Die rebellische Designerin, die das britische Establishment verschmäht hatte, wurde dennoch mehrmals von der ebenfalls im Jahr 2022 verstorbenen Queen Elizabeth II. geehrt. 1992 wurde sie in den Order of the British Empire aufgenommen, 14 Jahre später machte die Queen sie zur Dame.
Zur Modeschöpferin des Buckingham-Palastes wurde Westwood allerdings nicht. Vielmehr empfahl sie der damaligen Stilikone und Herzogin Kate eine Reduzierung ihrer Outfits – wegen des Umweltschutzes. Westwood, ihr Markenzeichen waren die orangfarbenen Haare, setzte schließlich ihre Bekanntheit im Kampf gegen die globale Erwärmung ein. Sie brachte den Klimawandel auch auf den Laufsteg. Westwood hinterlässt ihren Partner Kronthaler und zwei Söhne – den Fotografen Ben Westwood und Joseph Corre, den Gründer der Dessousfirma Agent Provocateur.