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Zur 1500. Kolumne: danke für NOCKL! Ist jetzt alles gut? Mitnichten!

Zur 1500 Kolumne danke für NOCKL Ist jetzt alles gut Mitnichten
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 1500

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 1500

Bild von Armin Thurnher

Armin Thurnher, Jg 1949, ist Mitbegründer (1977), Herausgeber und Chefredakteur des FALTER. Er schreibt seit 1983 unter dem Titel „Seinesgleichen geschieht“ seinen wöchentlichen Kommentar, liefert Essays zu Kultur und Politik, macht …

13.02.2025

„Nockl“ lautete der überaus populäre und letztlich erfolgreiche österreichische Volksslogan, kurz für „No Chancellor Kickl!“ Montage © AT, Foto © APA

Als Österreicher zuckt man beim Wort „Jubiläum“ zusammen und hofft, das Wachs in den Ohren hält dicht. Aber dem XXXLutz-Delirium entgeht niemand. Das schöne Wort Jubiläum kam darin um. Trotzdem bleibe ich Jubelfetischist, zumindest was die Zahl meiner Taten betrifft. 1500 Kolumnen, davon mehr als 150 Corona-Kolumnen von Robert Zangerle und mehr als hundert von Ihnen, also Zuschriften, sind es bis jetzt. Das Publikum wächst, die Seuchenkolumne zählt schon mehr als 10.300 Abos! Zieht man Zuschriften und Zangerle-Kolumnen ab, bleiben noch immer mindestens 1200 von mir geschrieben Dinger, macht in Summe etwa 6 Millionen Zeichen, das wären etwa 20 Bücher von durchschnittlichem Umfang.

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Seien wir froh, dass all das nur als Kolumne erschien und nicht auch noch gedruckt wurde!

Es wächst nicht nur der Textberg der Kolumne. Mehr und schneller wächst der politische Schwachsinn im Land und auf der Welt. Die Globalisierung ist nicht tot, der Irrwitz ist global! Unmöglich, dabei mitzuhalten, denn das Prinzip des Schwachsinns besteht darin, mehr von sich zu produzieren und alle zuzuscheißen, die versuchen, das Fähnchen der Vernunft aus dem übelriechenden Brei zu heben. Die gewaltigen Arschlöcher von Washington, Moskau und Texas gehen voran, Budapest und Bratislava, Belgrad, Pristina, Rom, Berlin und Wien mischen mit, so gut sie können.

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Dass Kamerad Kickl nun nicht Kanzler wird, hat sich abgezeichnet. Ich bin darüber von Herzen froh. Gewonnen ist jedoch nur eine Atempause. Die traurigen Befunde bleiben.

Die ÖVP muss sich fragen, ob sich ihre Bemühungen ausgezahlt haben, die Sozialdemokratie zum Weltübel Nummer Eins zu erklären. Können die Herrschaften vielleicht anfangen, den Februar 1934 zu begraben oder wenigstens mit einer dichteren Tarnschicht zu bedecken?

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Seine Multiplizität und hl. Wirtschaftsinkarnation Harald Mahrer muss sich fragen, ob er bei seiner Wandlung vom liberalen Jungspund zum neolibertären Scharfmacher nicht irgendwo am Wegesrand wachsendes, massives Gehölz touchiert hat.

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Die niederösterreichische ÖVP muss sich fragen, ob sie auch noch angesichts des nackigen Stockers der Einbildung nachhängt, zugleich der Born der Weisheit und der Personalreserve des Landes zu sein.

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Die blauhörigen sogenannten schwarz/schwürkisen Provinzfürsten müssen sich fragen, ob ihre alte Rolle als katholische Patriarchen mit Gewissensresten und Relikten von ethischer Motivation nicht unerträglich abgestanden ist. Und wie es ihnen dabei geht, mit der folgsamen Partei jenes Mannes zu koalieren, der ihre Partei zerstören will? Dämmert ihnen nicht einmal annähernd, dass sie seine Erfüllungsgehilfen sind und waren?

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Und die gesamte Volkspartei muss sich fragen, ob ihr politisches Konzept, nämlich der Inbegriff der Republik zu sein und Anrecht auf alle Macht und Herrlichkeit zu haben (außer auf Wien) etwas mit dem Aufstieg der Hasspartei FPÖ zu tun hat? Und dass es die schlechteste Idee war, ausgerechnet mit dieser Partei kooperieren zu wollen? Dass diese Partei meint, was sie sagt? Dass diese Partei ihrem Führer folgt und sich nicht von Nehammer oder Nackigstocker auseinanderdividieren lässt?

Ich möchte meine alte Volkspartei wieder haben. Nur die will es nicht.

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Die Sozialdemokratie muss sich sowieso allerhand fragen. Diese Selbstbefragung schiebt sie aufgrund aktueller Umstände schon so lange auf, dass sie die Fragen vergessen hat. Ich schlage vor, sie behandelt Hans Peter Doskozil nach dem Muster des Märchens mit den Kamelen. Sie kennen das: der alte Scheich stirbt und hat verfügt, dass seine drei Söhne die 17 Kamele der Herde so erben: die Hälfte für den ältesten, ein Drittel für den mittleren, ein Neuntel für den jüngsten Sohn. Groß ist die Verzweiflung, wie das geschehen soll, ohne Tiere zu schlachten. Da komm der weise Onkel, führt sein Kamel zur Herde und teilt sie nun ganz leicht in 9, 6 und 2 Kamele. Bleibt der Rest, das ist sein Kamel, und zufrieden führt er es davon. So könnte man es mit Dosko machen. Dosko ist das 18. Kamel der Sozialdemokratie.

Will sagen, die SPÖ muss ihre Programmatik modernisieren, ohne sich von ihm irritieren zu lassen, also ohne personelle Ansprüche mit Programmatik zu verwirren. Sie muss dem Elefanten im Raum, der Migration, ins Auge blicken, zwar menschlich, aber klienteltauglich. Sie muss ihr Europaglühen abkühlen auf die nötige Solidarität, welche nicht kritiklos sein darf. Undsoweiter, wie das halt im Märchen ist, wir dürfen jetzt den Wienern nicht wehtun und am liebsten gar nichts tun, so verwalten wir unser politisches Erbe wie Hans im Glück.

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Die Neos dürfen sich fragen, ob ihr Reformeifer in Anbetracht der Lage nicht etwas Lächerliches hatte, und ob der Signalturm der Bundesstaatsreform und das Leuchtfeuer der schwäbischen Hausfrau nicht dazu angetan waren, der Kickelei eine Extrabühne zu verschaffen.

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Die Grünen lecken die Wunden ihrer ÖVP-Zusammenarbeit und stellen sich auf Duldung ein. Steht ihnen gar nicht übel. Das Volk hätte ihrem Klimaticket und ihren „Raus-aus-Gas-und-Öl-Prämien“ fast schon nachgeweint.

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Die heimische Presse und die Medien müssen sich gar nichts fragen. Sie können ihre braunen Hemden und Sakkos derweil wieder in den Kasten hängen und ihre substanzlosen Personalspielchen und -Spekulationen munter weitertreiben. Sie brauchen sich nicht zu fragen, ob es einen Zusammenhang zwischen ihrem Niedergang und dem Verfall herkömmlicher Politik gibt. Ihre Standfestigkeit gegenüber der faschistischen Gefahr bleibt unvergessen! Mehr Mölzer in unser Expert-TV!

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Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann weiterhin der Willkür der ÖVP und der österreichischen Verleger ausgeliefert werden, und der ORF kann sich munter weiter selbst lähmen, indem er keinerlei Widerstand gegen diese Auslieferung leistet. Vorläufiger Tiefpunkt des Versagens: die Live-Übertragung der Kickl-Propagandashow zur Hauptabendzeit am 12.2. in ORF 2.

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Die Politikberater werden nicht in Spätpension geschickt, sondern – weiterhin mit erhöhtem Gähnfaktor und noch mehr Sendezeit ausgestattet – das Genre des politischen Analyse munter in Richtung Bassenaniveau treiben.

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Herbert Kickl wird unter diesen Voraussetzungen seine propagandistischen Kräfte ballen und versuchen, weiterhin das Gelände mit Wut und perfider Propaganda zuzuscheißen und bei Neuwahlen, die irgendwann einmal kommen, die Früchte des von ihm geschürten Zorns zu ernten. Da Parteien und Öffentlichkeit nichts dazulernen werden, steht ihm die Zukunft als Destructivus der Zweiten Republik weit offen.

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Der Weltfaschismus ist nicht abgesagt, nur weil er in Österreich vorübergehend schwächelt. Es bleibt ernst.

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Wahrlich, ich sage euch: Was immer nun kommt, die Mühen der Ebene werden fürchterlich.

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Er ist die beste Wochenzeitung des Landes. Der Falter. Lesen Sie ihn. Unterstützen Sie sich und ihn mit einem Abonnement.

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Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, wenn Sie Symptome haben, versuchen Sie Kontakte mit anderen zu vermeiden. Und bleiben Sie rücksichtsvoll.  

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Der Autor per Mail: thurnher@falter.at

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