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TV-Kritik: Staffelbeginn GNTM – „Es zählt nur der Charakter!“

TVKritik Staffelbeginn GNTM  Es zählt nur der Charakter
Zum Auftakt der 20. Staffel von „Germanys Next Topmodel“ schwelgt Heidi Klum kurz in Nostalgie, dann beginnt das traditionelle große Aussieben der „Girls“, was diesmal besonders zäh wirkt. Die „Boys“ kommen später dran. Tochter Leni Klum, d

Zum Auftakt der 20. Staffel von „Germanys Next Topmodel“ schwelgt Heidi Klum kurz in Nostalgie, dann beginnt das traditionelle große Aussieben der „Girls“, was diesmal besonders zäh wirkt. Die „Boys“ kommen später dran. Tochter Leni Klum, die erstaunlich schlecht Deutsch kann, hilft dabei.

Gleich zu Beginn der erste Downer für alle, die sich unter dem Hashtag #GNTM auf X versammelt haben, um nach Monaten der emotionalen Dürre endlich mal wieder nach Herzenslust „zu judgen“, wie es eine Userin schrieb und dazu passend ein Foto von TV-Richterin Barbara Salesch postete. Denn Joyn ist pünktlich um 20.15 Uhr „down“, der Streamingdienst von ProsiebSat.1 funktioniert die ersten zwanzig Minuten bei sehr vielen nicht, die Stimmung im digitalen Gerichtssaal ist also gleich im Keller: „Joyn fix your shit! I‘m begging“, bringt eine Nutzerin die Stimmung auf den Punkt. Betteln nützte erst einmal nichts, viel verpasst wurde aber auch nicht.

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Heidi lief zum Beginn zu den Klängen von „Happy Birthday“ mit einer Schokotorte durch die Flure eines TV-Studios, verteilte die Stücke und ließ so einige der Branchengrößen der zwanzig Staffeln, Models wie Naomi Campbell, Tyra Banks oder Irina Shayk, Designer wie Jean-Paul Gaultier oder eine lokale Größe wie den Werber/Juror Thomas Hayo kurz auftreten. Es folgte, natürlich, ein Ritt durch die GNTM-Historie mit prominenten Juroren und Liveacts von Lady Gaga bis Beth Ditto, dazu ein paar Bilder von (völlig vergessenen) Siegerinnen und spektakulär-unrealistischen Fotoshootings. Und natürlich immer wieder Heidi, Heidi, Heidi – in all den Jahren Herz, Puls und Kassenwart von GNTM.

In 20 Staffeln GNTM by Heidi Klum mag die Show kein einziges Topmodel hervorgebracht haben (einige erfolgreiche Influencerinnen immerhin) – sie blieb aber stets ein Gradmesser für das Selbstverständnis von jungen Frauen (im guten wie schlechten). Und für Heidi Klum wurde das Format zu einem immer noch etwas größer werdenden „Family Business“. Das hat sich auch in der Jubiläumsstaffel nicht geändert. Zwar singt den Titel-Song diesmal weder Heidi selbst noch ihr Mann Tom Kaulitz mit seiner Band Tokio Hotel (Madonnas „Vogue“ war der Opener), auch ist Vater Günther Klum mit seiner Agentur lange nicht mehr verantwortlich für die einst berüchtigten Knebelverträge der Kandidatinnen. Aber natürlich werden Tom und Bill Kaulitz die ersten Gastjuroren bei der Boys-Show sein, die in den kommenden Wochen nun doch nicht dienstags gezeigt wird, sondern kurzfristig geändert immer mittwochs um 20.15 Uhr– ProSieben kneift damit vor dem direkten Vergleich von „TV Total“ und der Millionen-Show von Stefan Raab bei RTL. Natürlich wurde Heidis Mutter Erna kurz gezeigt, die ihre Tochter, wie immer, wenn diese im Lande arbeitet, am Set besuchte. Enkelin Leni wiederum, 20, die kurz vor der Premiere von GNTM geboren und am Set der ersten Staffel noch die Muttermilch von Heidi Klum einsog, ist in der ersten Folge die Gastjurorin für das große Aussieben der Frauen, die mal „Mädchen“, mal „Girls“ genannt werden.

Die Befürchtung eines Kommentators auf X, Leni, „genauso nervig wie ihre Mutter“, habe sich offenbar fest vorgenommen, Heidis Erbe anzutreten und die Welt mit weiteren 20 Jahren GNTM zu beglücken, scheinen zumindest nicht realistisch. Dazu ist Leni dann doch zu klein, als Mensch, Model und TV-Talent, und auch das Deutsch würde nicht reichen – nicht einmal für GNTM. (Englisch ist, was nur kurz wundert, Lenis „Muttersprache“.)

So was von „ready“. Dabei ist GNTM die „denglischste“ Sendung im deutschen Fernsehen, ähnlich kreativeren Sprachbrei kennt man sonst nur von Dschungelkönigin Lilly Becker. Das ist bei GNTM einmal dem Thema geschuldet, („Fashion“ im weitesten Sinne), und zum anderen der Zielgruppe, die auch gern in englischen Signalwörtern und Brocken spricht. So möchte etwa Xenia, 26 Jahre alt, aber nur 1,66 Meter groß, sich wie Leni gern als „Petit Model“ durchsetzen. Wenn das möglich sein sollte, würde sie das gern „auch als Message spreaden“, während Marlene, 20, aus München, die Jura studiert und ein Gesicht hat, das Mitkonkurrentinnen an Supermodel Bella Hadid erinnert, eigentlich jeden Satz mit „Ich bin so like...“ beginnt. Heidi Klum, zu den 100 Kandidatinnen, die zur Vorauswahl nach München eingeladen wurden: „Ich bin ready – seid ihr es auch?“

Jury gnadenlos: Heidi Klums „Germanys Next Topmodel“ funktioniert. Es ist auch in der 20. Ausgabe, dazu reicht ein Blick in Elon Musks Kurznachrichtendienst, immer noch ein Fest des eher deftigen Abgleichs mit der eigenen Lebenswelt und genau dafür heiß ersehnt. Die Laienrichter und -richterinnen auf der Couch sind in vielen Jahren GNTM geschult, haben eigentlich alles schon einmal gesehen und kommentieren entsprechend gnadenlos. Als Luisa („Lulu“), 31, Sängerin aus Berlin, mit ihrer Mutter Katrin, 56, die in der DDR einst professionell modelte, sich Heidi und Leni in einem Walk präsentieren und – natürlich – in die nächste Runde gewählt werden, war der häufigste Kommentar auf X: „Nicht wieder so eine Tochter-Mutter-Nummer. Hatten wir schon. Kann weg.“ Zur Erinnerung: das letzte Mutter-Tochter-Gespann schaffte es bis ins Finale, die Tochter gewann.

Ebenso wenig Begeisterung herrschte darüber, dass es auch wieder ein Zwillingspaar in der nächsten Runde geben wird (diesmal zwei Schwestern, Nicole und Sonja, 22, die eine Minute Ältere, etwas Größere, Drallere und Forschere hat bereits mehr als 200.000 Followern auf Instagram). Und es gibt offenbar auch wieder ein Geschwisterpaar: Josie, 18, aus München und ihr Bruder, der ziemlich sicher nächste Woche ausgesucht wird. Beide haben schon einige Modelerfahrung und sie zudem eine große Klappe. Josie, interessantes Gesicht zu rötlich-blonder Lockenmähne: „Ich bin so Streetstyle, ich bin so edgy, ich bin so cool.“ Wie andere an diesem Tag erfahren müssen, ist zur Schau gestellte Selbstsicherheit nicht zwangsläufig der Anfang einer interessanten Reise ins Castingparadies, sondern oft schon das Ende.

GNTM castet seine Kinder: Von den hundert „Girls“, die sich Heidi Klum nach München bestellt hat, können sich viele – wie Leni Klum – an eine Welt ohne GNTM nicht erinnern. In Dreier- bis Vierergrüppchen dürfen sie an diesem Tag einen „Walk“ vor Mutter und Tochter Klum machen – und ein Teil von ihnen sich vorher und nachher dem Publikum mit kleinen Geschichten präsentieren (was natürlich keine Garantie fürs Weiterkommen ist). Viele der Mädchen sind mit Heidi Klum und ihrer Show aufgewachsen. Sie nennen es als ihr großes Ziel, „hier abzuliefern“, wie es Stella, 23, ausdrückt. Oder wie es Leila, Sekretärin aus Nürnberg, nur 1,65 Meter groß, sagt: „Das ist mein Traum, seit ich ein kleines Kind bin.“ Um sich dann, als ausgewiesener Single, noch zu fragen, ob und wann denn die „Boys“ dazu kommen. Antwort Heidi und bester Spruch in Folge eins: „Wir sind keine Dating-Show: Es geht ums Modeln, nicht ums Knutschen!“ 49 Kandidatinnen dürfen am Ende weitermachen.

Was auch noch auffällt: So ziemlich alle beziehen sich oder setzen auf die viel beschworene „Diversity“ des Formats: die Kleinen, die Schrägen, die „Curvy-geren“, ja selbst die mit den „normalen“ Modelmaßen. Gerade weil so ziemlich jeder in jedem Alter und jeder Größe und Fülle mitmachen kann und auch eine Vertreterin mindestens genommen wird (aber immer nur eine Diversität pro Kandidatin, bitte), preisen sich selbst die „normalen“ Kandidatinnen als Ausnahmen an. Etwa als Vertreter des „aussterbenden klassischen Models“. Die wenigsten der Ausgewählten, auch das ist sofort klar, haben tatsächlich Modepotenzial. Für den Laufsteg schon gar nicht – das hatte Heidi Klum jenseits der Victoria’s Secret-Show bekanntlich auch nie und Leni trotz aller Unterstützung von Mama nicht. Dafür gibt es aber viele Mädchen mit Story- und Dramapotential. Laura, 25, Techno DJane aus Würzburg, die sich als „ADHS-Kind“ und „völlig gestört“ bezeichnet. Oder Melina, 23, medizinische Fachangestellte aus Berlin, die sich als „bad bitch“ bezeichnet, auf eine Karriere als curvy Model hofft und genau vorrechnet, was sie schon alles in ihren Körper investiert hat (Nase: 3500 €, Brüste: 6000 €).

Das Motto: Leni Klum, die ja genau weiß, worauf es im Business generell ankommt, drückt aus, worauf es zumindest in GNTM auch in Staffel 20 ankommen wird: „It's all about character!“

GNTM (die Boys) startet am kommenden Mittwoch um 20.15 Uhr auf ProSieben und– falls der Stream läuft – auf Joyn. Die zweite Folge der Frauen kommt am Donnerstag um 20.15 Uhr

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