Marco Pogo im Interview: "In Wahrheit bin ich Teil des Problems"
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Fragen zur Bierpartei wollte er im APA-Gespräch am Tag vor der Polit-PK nicht beantworten, stattdessen ging es um aktuellen Krisen sowie den Unterschied zwischen Pogo und Wlazny.
Frage: Sie feiern mit Turbobier heuer Zehn-Jahres-Jubiläum. Sind Sie stolz auf diese Zahl?
Antwort: Vor allem denkt man sich: Oag! Wir werden alle älter. Ich finde es spannend, weil ich ja viel gemacht habe und man eine Entwicklung sieht. Texte über Bier finde ich noch immer leiwand, aber jetzt sprudelt auch anderes aus mir raus. Man muss jedem Künstler zugestehen, dass er sich verändert.
Frage: Seit dem letzten Studioalbum sind fünf Jahre vergangen. Warum hat es so lange gedauert?
Antwort: Zu Beginn habe ich schnell rausgefeuert, alle zwei Jahre ein neues Album. Dann aber haben mir ein bisschen meine politischen Ambitionen dazwischen gefunkt - und die Pandemie natürlich auch. Ich war einfach von 2019 weg zeitlich eingeengt, weil eigentlich jedes Jahr etwas Politisches passiert ist. Jetzt musste ich wirklich ran, sonst vergessen die Leute Turbobier.
Frage: Schon im Albumtitel schwingen die multiplen Krisen unserer Zeit mit. Geht die Welt zugrunde?
Antwort: Man sieht einfach rundherum, wie schier unüberwindbare Probleme auf diese Menschheit zukommen. Das macht auch vor mir nicht halten. Ich sehe mich aber nicht als jemand, der mit dem erhobenen Zeigefinger durch die Gegend rennt und allen sagt: Ihr müsst jetzt mit dem Zug fahren! In Wahrheit bin ich Teil des Problems. Wir alle in einem wohlhabenden Land in Mitteleuropa verhalten uns wahrscheinlich nicht immer so, wie es der Zukunft zuträglich wäre. Trotzdem ist es mir wichtig für mich persönlich, das zu Papier zu bringen und in Musik zu verarbeiten. Man kann über das Album nachdenken, über die Zeilen nachdenken - man kann aber auch einfach eine Party feiern. Musik ist für mich nicht unbedingt ein Türöffner für die große Problemlösung. Musik ist auch einfach mal eineinhalb Stunden am Abend auf Durchzug schalten. Nachher schaut man eh wieder die Nachrichten und es wird einem schlecht.
Frage: Gesellschafts- oder Kapitalismuskritik sind im Punk ja durchaus beheimatet. Schlagen auch Dinge wie der Zusammenbruch des Signa-Imperiums von René Benko bei Ihnen durch?
Antwort: Es passiert ja relativ oft, dass die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert werden. Bei dieser Pleite wird das ganz, ganz grindig offenkundig. Am Ende bleiben oft die Steuerzahler über, was unfair ist. Es ist aber nicht unbedingt meine Aufgabe als Musiker, spezielle Themen anzusprechen. Trotzdem weiß jeder, der mich kennt, wie ich denke. Das macht dann auch nicht vor einem Song wie "Hamsterrad" halt, bei dem es um die Chefetage geht. Wir leben in unfairen Zeiten.
Frage: Fällt es Ihnen schwer, zwischen dem Musiker Marco Pogo und dem Politiker Dominik Wlazny zu unterscheiden?
Antwort: Für mich ist es leicht. Marco Pogo ist meine kreative Spielwiese und Kunstfigur, mit der ich gerne provoziere und anecke. Inzwischen ist es so, dass Dominik Wlazny als Gründer der Bierpartei und ehemaliger Präsidentschaftskandidat seine politischen Ansichten in die Welt bringt und sich einbringt. Für mich ist die Trennung sehr klar, für viele da draußen noch nicht. Das ist eine stetige Arbeit. Die Politik treibt mich einfach an, da bin ich motiviert, anzupacken und was zu tun. Das bereitet mir auch Freude. Ich stehe mit beiden Tätigkeiten in der Öffentlichkeit, deswegen ergibt sich so eine unklare Situation für viele. Aber seit der Präsidentschaftswahl ist es viel klarer geworden. Ich sage immer: Lasst den Marco Pogo in Frieden, der soll seine Alben veröffentlichen. Wenn ihr was Ernsthafteres hören wollt, sagt euch das Dominik Wlazny auch.
Frage: Überlegen Sie mittlerweile öfter, was Sie in einen Song packen oder was vielleicht zu weit geht?
Antwort: Zum Glück nicht. Ich kann mich gut davon freischaufeln. Diese Freiheit versuche ich mir wirklich zu bewahren, um Marco Pogo sein lassen zu können, was er will. Würde ich anfangen, mich da künstlerisch selbst in Schranken zu weisen, würde es mir innerhalb kürzester Zeit keinen Spaß mehr machen. Deswegen ist der Gedanke: Tu es einfach, wenn es sich richtig anfühlt. Ich sage ja keinen Vollscheiß als Marco Pogo. Was ich da von mir gebe, kann ich in Wahrheit unterschreiben. Manchmal sogar: Ich hasse alle Leut'. (lacht) Solange ich mich im Spiegel anschauen kann, passt das. Natürlich würde ich manche Dinge, die ich 2015 gesungen habe, heute nicht mehr so schreiben. Aber das ist okay und eine normale Entwicklung. Ich will weiterhin Künstler sein und auf der Bühne stehen, das macht mir Spaß. Wird die Kunstfigur zu sehr ins Politische hineingezogen, dann habe ich Angst, dass mir das nicht mehr gelingt - und das würde mir sehr weh tun.
Turbobier auf Tour: 15.3. Linz, 16.3. Dornbirn, 20.3. Innsbruck, 22.3. Salzburg, 23.3. Klagenfurt, 29.3. Graz, 30.3. Wien
(APA/Red.)