Markus Poschner wird neuer Chefdirigent des RSO Wien
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In ungewissen Zeiten
Die Zukunft des Orchesters ist ungewiss, dennoch folgt Poschner 2026 Marin Alsop und richtet der Politik aus: "Es wäre absurd, auf dieses Spitzenensemble zu verzichten"
Ljubiša Tošić
18. Februar 2025, 13:04
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Mitten in die wieder einmal rumorende Diskussion, wie es langfristig mit dem ORF-RSO Wien weitergeht, kommt eine gute Nachricht: Markus Poschner wird neuer Chefdirigent und Nachfolger von Marin Alsop. Der Deutsche, der in den letzten Jahren mit dem Brucknerorchester Linz signifikante Erfolge gefeiert hat, nennt das RSO im Gespräch ein "hochsensibles, leidenschaftliches Spitzenorchester, für das es keine Limits gibt – ob die Moderne oder das traditionelle Repertoire betreffend".
Der Münchner (Jahrgang 1971) ist dem RSO seit Jahren verbunden. Er freue sich darauf, in Ruhe arbeiten zu können und Brücken zu bauen: "Musik kann schließlich jederzeit unser Leben verändern." Das mit der Ruhe muss sich allerdings erst weisen. Auch wenn in beiden gescheiterten Koalitionsverhandlungen die Erhaltung des RSO angedacht war, könnte ein nahender Sparauftrag an den ORF das Orchester wieder als Sparposten ins Gerede bringen. Wäre nicht das erste Mal.
Ein glasklares Bekenntnis
"Ich lasse mich da nicht einschüchtern. Das RSO ist seit Jahrzehnten ein einzigartiges Aushängeschild Österreichs, ein Stück weit gewachsene Identität dieser Kulturnation. Es wäre absurd, zu denken, man könnte auf dieses Spitzenensemble so einfach verzichten", so Poschner. Das Land würde seiner Kultur wegen bewundert, man blicke auch besonders auf Wien. Mit einer Auflösung des Orchesters würde man sich lächerlich machen: "Besonders jetzt in diesem fragilen Moment unserer Zeitgeschichte, die erfordert, gesellschaftlich dialogfähig zu bleiben, Vertrauen zu schaffen und die Menschen zusammenzubringen. Wer sonst, wenn nicht die Kultur, die Musik, sollte das denn zuwege bringen?"
Damit das Orchester in Ruhe arbeiten könne, müsse sofort etwas geschehen: "Es gibt ja bereits ein glasklares Bekenntnis der letzten Regierung zum RSO innerhalb des ORF – plus den Auftrag, ein Zukunftskonzept zu erarbeiten." Dieses Konzept sei bereits fertig: "Jetzt muss es nur noch umgesetzt und zum Gesetz werden. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren und sind außerdem müde, zum wiederholten Mal in der letzten Dekade zum Spielball der Politik degradiert zu werden. Das hat das Orchester nicht verdient." Poscher sei seit geraumer Zeit mit sämtlichen Verantwortlichen in intensiven Gesprächen: "Mit Roland Weißmann, dem Generaldirektor des ORF, konnte ich mich bisher leider noch nicht austauschen. Ich gehe aber davon aus, dass das bald der Fall sein wird."
Leuchtturm mitten in der Stadt
Seine Ideen zum Orchester? Sie kreisen ebenso um das Sichtbarmachen in der Stadt wie auch international. "Ich kenne kaum ein Ensemble, das den Spannungsraum zwischen Tradition und Moderne auf diesem Niveau so traumwandlerisch beherrscht wie das RSO. Das ist ein unschätzbares Alleinstellungsmerkmal. Gleichzeitig dürfen wir uns nicht ausschließlich in Nischen abdrängen lassen."
Man müsse "auch mehr diese Breite unserer Exzellenz und Kompetenz, besonders auch in der Musikvermittlung, voll ausspielen". Dazu gebe es bereits viele Ideen und Konzepte, auch gemeinsam mit dem ORF. Die Pläne der Weiterentwicklung des Standorts Funkhaus zusammen mit dem Radiokulturhaus würden ebenfalls ungeahnte Möglichkeiten bergen: "Ein weiterer musikalischer Leuchtturm mitten in der Stadt, eine attraktive Begegnungsstätte nach dem Motto 'Erlebnis Klassik'? Das fände ich extrem spannend."
Freude und Reserviertheit
Erfreut zeigen sich die Musikinstitutsionen Wiens: Der Intendant des Musikvereins Stephan Pauly freut sich "auf außergewöhnliches Repertoire, und auf neue gemeinsame Ideen!" Stefan Herheim, Chef des Musiktheaters an der Wien, zählt das RSO "zu den wichtigsten Partnern" seines Hauses. Er gratuliert zur Wahl Poschners und dies tut auch Konzerthauschef Matthias Naske, der das ORF Radio-Symphonieorchester Wien "eine der bedeutendsten kulturellen Institutionen Österreichs und die deutlichste Erfüllung des ORF-Kulturauftrags" nennt.
Allerdings bleibt es spannend, wenn man die Reaktion des ORF bedenkt: Gegenüber der APA meinte man, wegen der langen Vorlaufzeiten im Kulturbetrieb Vorkehrungen getroffen zu haben, um sicherzustellen, dass das RSO ab Ende 2026 weiterhin einen international renommierten Chefdirigenten habe. "Diesbezüglich wurde unter der Voraussetzung, dass bis dahin die Existenz und Finanzierung des Orchesters abgesichert ist, eine Vereinbarung mit Markus Poschner geschlossen. Sollte die Finanzierung ungeklärt bleiben, wird der Vertrag einvernehmlich aufgelöst. Die heute getätigten öffentlichen Aussagen von Herrn Poschner sind als private Meinungsäußerungen einzuordnen." (Ljubiša Tošić, 18.2.2025)
Markus Poschner dirigiert das ORF-RSO-Wien am 20. Februar im Konzerthaus und am 20.3. im Musikverein.