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Wendy Holdener und der Hauch von Nichts

Wendy Holdener und der Hauch von Nichts
Nur zwölf Hundertstelsekunden fehlten Wendy Holdener im Olympiaslalom zu Gold. Doch die Freude über Bronze konnte das nicht beeinträchtigen. Denn sie hatte die Medaillen bereits abgeschrieben.

Olympiabronze

Wendy Holdener und der Hauch von Nichts – manchmal so bitter, manchmal so süss

Nur zwölf Hundertstelsekunden fehlten Wendy Holdener im Olympiaslalom zu Gold. Doch die Freude über Bronze konnte das nicht beeinträchtigen. Denn sie hatte die Medaillen bereits abgeschrieben.

Wendy Holdener präsentiert stolz ihre Bronzemedaille.
Wendy Holdener präsentiert stolz ihre Bronzemedaille.

Jean-Christophe Bott / KEYSTONE

Es ist ein Hauch von Nichts. Und doch so bedeutend, wenn Hundertstel zwischen Freude und Leid entscheiden. «Es tut mir leid», sagt Wendy Holdener zu Lena Dürr. Sie sagt es mit Tränen in den Augen. Eigentlich aus Freude. In jenem Moment fängt die Kamera echtes Mitgefühl ein.

Dürr führte im Olympiaslalom nach dem ersten Durchgang. Holdener war nur Fünfte und als sie nach dem zweiten Lauf ins Ziel kam, «hatte ich die Hoffnung aufgegeben». Vier standen noch oben. Holdener war nur Dritte.

Normalerweise reicht das nicht. Und so beugte sich Holdener nach unten und ihr Blick wurde leer. «Ich fühlte mich vor dem Rennen so gut. Ich spürte, dass etwas möglich ist.» Vielleicht sogar ihr erster Sieg, nachdem sie im Weltcup schon 29-mal auf dem Slalom-Podest stand, aber nie als Siegerin. Nachdem sie 2018 Olympiasilber gewann und 2017 WM-Zweite wurde. Und jetzt schien sie sogar die Medaillen zu verpassen. Welch Frust.

Als Wendy Holdener ins Ziel kam, überwog die Enttäuschung. Sie glaubte nicht mehr an eine Medaille.
Als Wendy Holdener ins Ziel kam, überwog die Enttäuschung. Sie glaubte nicht mehr an eine Medaille.

Jean-Christophe Bott / Keystone

Gisin und die bittere Enttäuschung

Doch dann fiel eine Athletin nach der anderen hinter Holdener zurück. Auch Michelle Gisin, die bei Halbzeit nur drei Hundertstel hinter Lena Dürr auf Rang zwei gelegen war. Am Ende wurde Gisin Sechste. «Das tut weh und ist sehr, sehr schade», sagte die 28-Jährige später im TV-Interview.

Als dann auch noch Dürr nur sieben Hundertstel langsamer war als Holdener, verwandelte sich der Blick der Schweizerin: Erst in Erstaunen. Dann in Freude. Die 28-Jährige hatte eine Medaille gewonnen, die sie nicht mehr für möglich gehalten hatte. «Das macht mich unglaublich happy.»

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Und es gibt ihr sehr viel Mut, wie sie selbst sagt. Holdener ist eine Athletin, die häufig in Zweifel verfällt, wenn etwas nicht funktioniert, das eigentlich in ihren Augen hätte funktionieren sollen. Das unverhoffte Happy End ist darum eine mentale Streichelkur für ihr Selbstbewusstsein, das in einer Disziplin, in der es um Millimeter geht, so wichtig und entscheidend ist.

Wendy Holdeners Lauf und das Gefühlschaos danach.

SRF

Und wieder wurde es knapp

Vor vier Jahren an den Olympischen Spielen in Südkorea führte Holdener nach dem ersten Lauf, fiel dann aber noch hinter die Schwedin Frida Hansdotter zurück. Nur fünf Hundertstel war die Schweizerin langsamer. Ein Hauch von nichts. Aber Wendy Holdener freute sich. «Ich wollte eine Medaille und ich habe jetzt eine», sagte sie damals. Es war nicht gespielt.

Das war es auch vier Jahre später nicht. Zwar sagt Holdener : «Ich wüsste nicht, was ich in der Vorbereitung hätte besser machen können. Es hätte eigentlich alles gepasst.» Vielleicht sogar für Gold. Aber dann glaubte sie minutenlang, dass es nicht einmal für die Medaillen reichen würde.

Genau darum fühlt sich diese Bronzemedaille so gut an für Holdener und verlor sie kein Wort über Gold oder Silber. Dabei war es wieder so knapp. Dieses Mal waren es zwölf Hundertstel, die Holdener langsamer war als Petra Vlhova. Die 26-Jährige gewann Gold und es war gleichzeitig die erste Olympiamedaille in der Geschichte des slowakischen Skisports. Weltmeisterin wurde Vlhova 2019 im Riesenslalom. In der vergangenen Saison gewann sie den Gesamtweltcup. Nun folgte das nächste Highlight.

Der obligatorische Biss in die Goldmedaille: Petra Vlhova schreibt mit ihrem Sieg Skigeschichte.
Der obligatorische Biss in die Goldmedaille: Petra Vlhova schreibt mit ihrem Sieg Skigeschichte.

Jean-Christophe Bott / EPA

Das ungeschriebene Gesetz

Wendy Holdener muss derweil weiterhin auf einen Slalomsieg warten. Und trotz der verständlichem Freude über den unerwarteten Rennausgang bleibt als Beobachter auch ein bisschen Wehmut zurück. Mikaela Shiffrin, die neben Petra Vlhova die höchstgehandelte Favoritin war, schied schon nach wenigen Sekunden im ersten Lauf aus. Vlhova lag bei Halbzeit nur auf Rang acht. 24 Hundertstelsekunden hinter Wendy Holdener zurück.

Doch am Ende bewahrheitete sich ein ungeschriebenes Gesetz: Kommt Vlhova oder Shiffrin ins Ziel, geht es für alle anderen Athletinnen meistens nur noch um die Plätze dahinter. In dieser Saison war das sogar in allen Slaloms so. Und ein wenig ist auch ein Schweizer mitverantwortlich dafür, dass dies so bleibt. Mauro Pini arbeit als Trainer von Petra Vlhova und der Tessiner durfte den zweiten Lauf, in dem die Slowakin zur Aufholjagd startete, setzen. Pini war einst auch Cheftrainer der Schweizer Frauen.

Was also bleibt zurück von diesem Rennen? Die Erkenntnis, dass ein Hauch von Nichts manchmal so süss und manchmal so bitter sein kann. Und dass dies nicht immer damit zu tun hat, ob man gewinnt oder nicht.

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